U2-Lückenschluss

Quer gebohrt – der U2-Lückenschluss.

Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit: Die Zukunft ist die U5 mit der Anbindung von dicht besiedelten Stadtteilen und wichtigen Hamburger Hotspots an die Innenstadt. Vor 50 Jahren erreichte das die U2 mit dem Lückenschluss, der unter anderem den Osten Hamburgs, aber auch die stark wachsenden Gebiete im Bezirk Eimsbüttel an die Innenstadt anschloss. Das Vorhaben stellte die Planer allerdings vor große bauliche Herausforderungen. Schauen wir einmal zurück.

Lückenschluss U2
Blick in die Doppel-Röhren-Haltestelle Messehallen, 1970

Hamburgs erste U-Bahn-Linie entsteht als Ring rund um die Alster, wodurch ein Großteil der Stadt ans U-Bahn-Netz angebunden wird – das Arbeiterquartier Barmbek, die bürgerlichen Stadtteile Eppendorf und Hoheluft und natürlich der Hafen mit seinen zehntausenden Arbeitsplätzen in der Industrie und maritimen Wirtschaft. Die Innenstadt ist am Rathausmarkt und an der Haltestelle Barkhof (heute Mönckebergstraße) direkt erreichbar und, fast schon am Rande, am Hauptbahnhof mit seinen vielen Umsteigemöglichkeiten. Erste Erweiterungen als Zweiglinien vom Ring aus führen in die Arbeiterquartiere nach Eimsbüttel und Rothenburgsort, während mit dem Zweig nach Ohlsdorf Wachstumsgebiete der Hansestadt mit moderner Verkehrsinfrastruktur ausgestattet werden.

Äste nach West und Ost

Bei der folgende U-Bahn-Erweiterung in Richtung Wandsbek muss die Trasse zwar in enge städtische Strukturen eingefügt werden, doch stehen dafür auch viele Freiflächen bereit, so dass offen gebaut wird. Das geht bei der ab 1960 geplanten U-Bahn von Stellingen nach Billstedt wegen der starken Verdichtung nicht mehr. Immerhin aber steht ab Berliner Tor eine freie Trasse bis nach Billstedt bereit, wo offen gebaut werden kann. Der Haken: Wegen des hohen Grundwassers muss es eine Tunnelstrecke werden. Nur das letzte Stück von der Legienstraße bis nach Billstedt liegt in einem Einschnitt. An den Knotenpunkten Berliner Tor, wo sich noch die Ringlinie und die S-Bahn treffen, Horner Rennbahn und Billstedt bestehen Umsteigemöglichkeiten zu Straßenbahn- und Buslinien, so dass eine Vernetzung vom Hauptverkehrsmittel U-Bahn aus gewährleistet ist.

An beiden Ästen wird gleichzeitig gearbeitet. Die Meilensteine im Überblick:

  • 2. Oktober 1967: Die Strecke bis Rauhes Haus geht in Betrieb.
  • 2. Januar 1967: Horner Rennbahn wird eröffnet.
  • 24. September 1967: Legienstraße ist fertig.
  • 28. September 1969: Billstedt geht in Betrieb.
  • 31. Mai 1970: Merkenstraße wird bis 1990 Endhaltestelle.
  • 1. Mai 1964: Einstellung des U-Bahn-Verkehrs zwischen Schlump und Hellkamp, Rückbau der bisherigen Endhaltestelle, Grundsanierung der Haltestellen Christuskirche, Emilienstraße, Osterstraße.
  • 30. Mai 1965: Eröffnung der neuen Haltestelle Lutterothstraße.
  • 30. Oktober 1966: Hagenbecks Tierpark wird Endhaltestelle.
Lückenschluss U2
Ein Blick von der Straße auf die Haltestelle Hagenbeks Tierpark

Damit sind der Wachstumsraum Stellingen sowie das bevölkerungsreiche Billstedt an das U-Bahn-Netz angeschlossen. Dabei soll es allerdings nicht bleiben, denn Ziel ist es, dass die Fahrgäste der neuen Äste auch die Innenstadt direkt erreichen.

Der Lückenschluss

Eine echte Herausforderung ist der Bau im innerstädtischen Bereich: Am Berliner Tor muss die neue Strecke nämlich aus beiden Richtungen kreuzungsfrei mit dem U-Bahn-Netz verbunden werden. Am Strohhause entsteht deswegen eine neue viergleisige Tunnelhaltestelle. Nach zwei Jahren Bauzeit kann der nördliche Bahnsteig ab Mai 1964 für die Ringlinie genutzt werden, dann beginnen die Arbeiten am südlichen Bahnsteig sowie der Abriss der alten Ringlinien-Haltestelle.

Lückenschluss U2
Die neue Haltestelle Berliner Tor

Und zwischen Schlump und Berliner Tor beginnen die Arbeiten: 1965 werden am Georgsplatz neben dem Hauptbahnhof und der Karolinenstraße an den Messehallen Startschächte für die Schildvortriebsmaschinen ausgehoben. Sie graben sich nun in großer Tiefe unter der Innenstadt durch, quasi aufeinander zu. Während sich die Spitzen durch die Erde wühlen, wird weiter hinten der Tunnel gebaut. So entstehen zwei ringförmige Tunnel und die beiden in Röhrenbauweise errichteten Haltestellen. Nach den Plänen von Architekt Otto Kindt entsteht in 30 Metern Tiefe die Haltestelle Messehallen – der bis heute tiefsten U-Bahn Haltestelle Deutschlands.

Lückenschluss U2
Unter der Innenstadt wird gebohrt, Teil der Schildvortriebsmaschine, 1965

Ihr nördlicher Ausgang bietet direkten Zugang zum Messegelände, das ab 1970 schrittweise mit neuen Hallen umstrukturiert wird. Gleich daneben liegt Planten un Blomen, wo 1973 die Internationale Gartenbauausstellung gastiert und ein Jahr zuvor das Congresscentrum Hamburg (CCH) fertiggestellt wird. Der Haltestelle kommt also eine wichtige Funktion im sich stark wandelnden Quartier zu. Ähnlich ist es am Gänsemarkt, wo in zentraler Lage, unweit der Oper und eines großen Kinos, ebenfalls eine Haltestelle hinzu kommt. Die Bahnsteigebene ist nahezu baugleich zu Messehallen, doch das Zwischengeschoss ist großzügig ausgelegt und lenkt so die Fußgängerströme.

Lückenschluss U2
Innenausbau der Haltestelle Messehallen, 1970

Ebenfalls gebohrt und ringförmig angelegt ist die Haltestelle Hauptbahnhof Nord. In Anbetracht weiterer U-Bahn-Ausbaupläne wurde sie viergleisig konzipiert. Das gilt auch für die Erweiterung der Haltestelle Jungfernstieg. Geschützt von Spundwänden entsteht hier in offener Bauweise mitten in der Alster die neue viergleisige Halle mit Mittelbahnsteigen. Allerdings wird die damals geplant U-Bahn-Linie nicht gebaut, praktischerweise können die viergleisigen Bauvorleistungen dann aber für die 2012 eröffnete U4 in die HafenCity genutzt werden.

Lückenschluss U2
In offener Bauweise geht es durch die Alster

Entsprechend des abschnittsweisen Baukonzepts, erfolgt auch die Inbetriebnahme in mehreren Schritten:

  • 29. September 1968: Die Strecke zwischen Berliner Tor und Hauptbahnhof Nord geht in Betrieb. Hier fährt die U21 vom Hauptbahnhof über Berliner Tor nach Barmbek.
  • 31. Mai 1970: Die U22 fährt zwischen Schlump und Gänsemarkt.
  • 3. Juni 1973: Die Erweiterung am Jungfernstieg ist  fertig – von Stellingen bis Merkenstraße wird durchgefahren.

Beim Bau der U2 zeigt sich, dass der U-Bahn-Bau in der Innenstadt eine echte Herausforderung ist. Doch dem gegenüber steht ein vielfacher Nutzen: Wichtige dichtbesiedelte Stadtteile werden an die Innenstadt angebunden. Das erlaubt den Fahrgästen fast punktgenaues Ankommen und so einen schnellen Zugang zum Arbeitsplatz, zu Freizeitmöglichkeiten, kulturellen Angeboten – mit der U-Bahn natürlich umweltfreundlich und stressfrei. Das immer enger werdende Schnellbahnnetz mit guten Umsteigemöglichkeiten schafft ganz neue Wege. Und vor allem verkürzt der Lückenschluss der U2 die Reisezeit – mittlerweile für täglich bis zu 232.000 Fahrgäste.

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19 Kommentare zu: Quer gebohrt – der U2-Lückenschluss.

  1. Das ist alles schön und gut, aber auch schon mal daran gedacht, Bahnverbindungen herzustellen zwischen Wedel und Pinneberg und Poppenbüttel und Ohlstedt ?Will ich zum „Normaltarif“ von Wedel nach Pinneberg, muss ich zuerst mit der S-Bahn von Wedel nach Altona und kann erst von dort nach Pinneberg fahren für eine Strecke von bummelig 15 Kilometern. Mit dem Bus wird Zuschlag fällig. Danke HVV

  2. Seinerzeit hatte ich noch vergessen zu schreiben, dass es eine Teilinbetriebnahme bis „Rauhes Haus“ in den Jahren 1966/67 nicht gab. Am 30. Oktober 1966 ging zunächst auf der U2 „Hagenbecks Tierpark“ in Betrieb, am 30. Dezember erfolgte dann die Eröffnungsfahrt gleich durchgehend bis „Horner Rennbahn“. Am 2. Januar 1967 begann der fahrplanmäßige Betrieb der neuen U3. Die Verlängerung bis „Legienstraße“ war dann am 24. September fertiggestellt.

  3. Moin,
    schön, dass der Artikel auf so viel Resonanz stößt und mit persönlichen Erinnerungen sowie dem Interesse an Geschichte und Stadtentwicklung verbunden ist. Und die kritischen Anmerkungen helfen auch:
    Natürlich wird Mönckebergstraße mit -ck geschrieben, das ist bereits korrigiert.
    Bei der Datierung zur Horner Rennbahn habe ich die richtige Angabe 02.01.1967 leider zu 02.10.1967 verdreht und Oktober geschrieben.
    Und was das Bild angeht so habe ich inzwischen die Bildbeschreibung und Verschlagwortung in unserer Archivdatenbank angepasst. Vielen Dank für die Hinweise dazu, die geholfen haben, unsere historischen Daten exakter zu machen und Fehler zu korrigieren.

    Dass wir uns über meine Schludrigkeit im Artikel austauschen und zugleich noch das Archiv etwas verbessern, zeigt natürlich auch, wie genau gelesen wird und, dass die „alten Geschichten“ auf viel Interesse stoßen.
    Ich hoffe, das bleibt auch weiterhin so.

    Schönes Wochenende,
    D. Frahm

    1. Lieber Herr Frahm,

      vielen Dank für Ihre tollen Texte. Der historische Blick ist sehr spannend: er erklärt manchmal erst, warum manche Dinge, die wir heute täglich nutzen, eigentlich so sind. Und er ermöglicht die Abstraktion auf heutige Probleme. Einige Herausforderungen hatten schon Generationen vor uns zu bewältigen und es ist nur hilfreich, sich die Lösungsstrategien anzusehen.

  4. Toller Bilder! Gibt es eigentlich eine Ausstellung mit Bildern aus den Anfangsjahren der Hochbahn und/oder aus den Bauphasen? Die Veränderung der Stadt zeigt sich da so schön!

    1. So eine Ausstellung kann ich nur unterstützen, die wäre wirklich ein toller Blick in die Hamburger Vergangenheit und in die der Hochbahn.

  5. Spannender Artikel! Wir nutzen die U2 täglich. Das die Hochbahn ihre Geschichte so erlebbar macht finden wir prima!
    Es wäre so toll, wenn der U-Bahn Simulator wieder am Jungfernstieg stehen würde!

  6. Der Tunnel für die City-S-Bahn liegt neben der Bahnhofshalle unter dem Hachmannplatz und damit grob in Nord-Südrichtung.
    Um den S-Bahnhof Jungfernstieg zu erreichen, muss der Tunnel fast einen Halbkreis nach Süd-Süd-West bilden – der S-Bahnhof liegt unterhalb des Alsterfleets (zwischen Binnenalster und Rathausschleuse).
    Die U-Bahn verläuft leider nicht schnurgerade zum Hauptbahnhof-Nord, sondern verläuft unterhalb des Gänsemarktes/Jungfernstiegs, schneidet die S-Bahn unter der Binnenalster (fast rechtwinklig) und führt in einem Linksbogen zum Hauptbahnhof-Nord. Dort werden die gesamten Fern- und S-Bahngleise rechtwinklig unterfahren. Das ist vom Jungfernstieg aus gesehen ziemlich genau ein Viertelkreis. Man kann sich das ganze „Gemurgel“ ganz gut bei openstreetsmap ansehen.

    1. Bei der S-Bahn gab es die schon bestehenden Bahnsteige und Einfädelungen von Süden, so dass man den City-Tunnel nach Norden ausfädeln musste. Für die dann weiter gewählte Strecke via Stadthausbrücke ergab sich fast zwangsläufig der 180-Grad-Bogen zwischen Hbf und Jus.

      Bei der U2 haben Sie recht, es gibt auch da einen kleinen Schlenker. Der ist nötig, weil der Bahnsteig am Hauptbahnhof nördlich der Halle angeordnet wurde.

      Warum man diese Variante auswählte, ist eine spannende Nerd-Frage 😉 Es könnte daran liegen, dass man nicht direkt unter der Halle bauen wollte. Oder daran, dass die Start-/Zielschächte der Tunnelbaumaschine einen Abstand brauchten, der sich nur an dieser Stelle realisieren ließ. Je weiter man nach Süden kommt, desto schmaler wird die Flucht zwischen den Häusern links und rechts des Bahnhofs. Drittes Argument: Hauptbahnhof Nord sollte ja auch die Linie aus Winterhude aufnehmen, die etwa der heute geplanten U5 entspricht. Diese Linie kam von Norden und hätte auch eingefädelt werden müssen. Das ist eine zusätzliche Anforderung, die weiter südlich vielleicht nicht mehr (so einfach) eingehalten werden könnte. Aber das sind alles nur meine Mutmaßungen. Letztlich ist der Schlenker ja auch unbedeutend, das sind vielleicht 100 Meter Umweg zwischen Berliner Tor und Jungfernstieg.

  7. Es scheint sich ein kleiner Fehler eingeschlichen zu haben.
    Der Abschnitt bis Rauhes Haus kann nicht später in Betrieb genommen worden sein (angeblich 2. Oktober 1967) als bis Horner Rennbahn. Letztere ist eine Station weiter. Damals habe ich die Besichtigungsfahrt zur Horner Rennbahn mitgemacht. Das war am 30. Dezember 1966. Offizielle Betriebsaufnahme war dann der 2. Januar 1967.
    Am 30. Oktober 1966 ging die Station Hagenbecks Tierpark in Betrieb als ein Teil der Billstedt-Stellinger Strecke.

  8. Sehr schön geschrieben. Schöne Bilder. Es ist nur ein Fehler enthalten: Die U2 fuhr damals dann nach Wandsbek-Gartenstadt. Der Linientausch mit der U3 kam Jahrzehnte später.

  9. Moin,

    schönen Dank für diesen Rückblick. Als echte Durchmesserlinie wird die U2 aber erst seit dem Sommer 2009 betrieben. Ab der Fertigstellung 1973 war der Ast von Hagenbecks Tierpark ab Berliner Tor über den „Ostring“ mit Barmbek – Wandsbek-Gartenstadt – Farmsen verknüpft (als U2) und Billstedt / Merkenstr. über Landungsbrücken und den Westring mit Barmbek (U3). Erst die umfangreichen Umbauten am Berliner Tor haben 2009 den „Linientausch“ und damit den Betrieb als echte Durchmesserlinie ermöglicht (also satte 36 Jahre später als in den Ursprungsplänen vorgesehen).

    1. Ich frage mich schon lange, warum man damals diese Verknüpfung mit der Ringlinie realisiert hat anstelle der ursprünglichen Pläne einer Durchmesserlinie. Weiß jemand darauf eine Antwort?

      1. André Loop schreibt dazu (www.hochbahnbuch.de), dass während der Bauphase aus Kosteneinsparungsgründen (aufwändiges und teures Bauwerk Berliner Tor) die Linienführung auf den Ostring umgelegt wurde. Zudem konnte die (damalige) Linie U2, der man seinerzeit wohl deutlich höhere Nutzerzahlen als der neuen Linie nach Billstedt „zutraute“, so mit Langzügen (8 DT1/2 / 9 DT3) betrieben werden – das geht auf dem klassischen Ring immer noch nicht.

  10. Ebenfalls sind die Untertitel für „Innenausbau Messsehallen“ und „Tunnelbohrmaschine“ verwechselt. Bitte auch Inbetriebnahme der Haltestelle „Legienstraße“ überprüfen.

  11. Bitte überprüfen Sie die Zeitangabe für die Haltestellen „Rauhes Haus“ und „Horner Rennbahn“.
    Das Bild der offenen Bauweise in der Alster zeigt m.E. die Baugrube der City-S-Bahn.

    1. Im Bild ist tatsächlich die City-S-Bahn zu sehen – erkennbar am Bogen hinter der Ausfädelung aus der Verbindungsbahn nördlich des Hauptbahnhofs. Bei der S-Bahn liegen die Stationen Hbf und Jungfernstieg beide etwa in Nord-Süd-Richtung, obwohl beide etwa auf gleicher Höhe sind. Das erfordert die Kurve.

      Die U2 geht dagegen fast schnurgerade auf direktem Weg vom Hauptbahnhof zum Jungfernstieg.

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