Es gibt Menschen, die allein mit ihrem Namen Neugierde wecken. Lykourgos Tsirigotis ist einer von ihnen. Wir rätselten lange, woher der Name wohl kommt, versuchten seinen leichten Akzent zu analysieren und immer mal wieder unauffällig nachzuforschen. Am Ende versuchte es eine Kollegin mit einem lettischen Gruß, auf den verständlicher Weise nichts folgte, denn Lette ist Lykourgos nicht, sondern Grieche.
Von Athen über München nach Hamburg
Seit Juni 2014 arbeitet Lykourgos als Verkehrsplaner bei der HOCHBAHN. Und damit ist er einer, der hier bei uns einen richtig tollen Job hat, nämlich den Ausbau der U-Bahn zu planen. Dabei hat er eigentlich mal was ganz anderes studiert. Angefangen hat alles in Athen, wo er an der TU sein Diplom zum Bauingenieur gemacht hat. „Weil ich aber immer schon gerne in die Verkehrsplanung gehen wollte, habe ich dann in München noch den Master in Transportation Systems angeschlossen.“
Das ist übrigens kein ungewöhnlicher Werdegang. Viele unserer Verkehrsplaner haben zuvor Bauingenieurwesen oder etwas ähnlich Technisches studiert. Das hilft ihnen im Alltag dann sehr, weil sie schon in den Planungen mit den Bauabteilungen die „gleiche Sprache“ sprechen. Bauen tun Verkehrsplaner nämlich nicht. Sie haben vielmehr die längerfristige Planung des U-Bahn-Netzes im Blick. Wo macht eine neue Linie Sinn? Wo könnte man bestehende Linien ergänzen?
ÖPNVler durch und durch
Bevor Lykourgos nach Hamburg kam, hat er bei unseren Münchner Kollegen von der MVG ein Praktikum gemacht. Seine Aufgaben dort: Fahrgasterhebungen und Nachfrageauswertungen und auf dieser Grundlage die Anpassung des laufenden Betriebes. „Dass ich all das damals gelernt habe, erleichtert mir meinen Job enorm, weil ich so viel besser z.B. auch Betriebskonzepte für die neue U-Bahn-Linie entwickeln kann. Nur München war halt ein bisschen langweilig“, erzählt er mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Also ging es nach Hamburg. Allein schon, weil es nicht in jeder Stadt so große und damit spannende Ausbauprojekte des Nahverkehrs gibt.
In Hamburg wartete also das Projekt Netzausbau und ein bisschen scheint es, als hätte es nur auf jemanden wie Lykourgos gewartet. Jemanden, der den Nahverkehr selbst so gerne mag und jeden Tag mit der U-Bahn zur Arbeit fährt: Wer könnte folglich prädestinierter sein, um die neue U-Bahn mit zu planen? Und damit ein Stück Hamburg von Grund auf zu verändern.
Plan vom großen Ganzen
Die Verkehrsplaner der HOCHBAHN sind es nämlich, die festlegen, wo eine neue U-Bahn aus verkehrlicher Sicht sinnvoll ist, wie sich die Nachfrage künftig entwickelt und z.B. auch wie das ergänzende Busangebot am besten gestaltet werden sollte. Anschließend überprüfen sie mit den Fachleuten aus der Bauabteilung, ob ihre Theorie baulich auch umzusetzen geht. „Ein langweiliger Bürojob ist das aber nicht“, betont Lykourgos energisch. Als Teilprojektleiter für die U4-Verlängerung zur Horner Geest ist er nämlich auch viel draußen unterwegs. „Wir müssen die Gegebenheiten vor Ort einfach kennen und können nicht einfach nur beliebig auf einem Plan rum malen!“ Deshalb gehen die Verkehrsplaner und Bauingenieure der HOCHBAHN tatsächlich sogar alle geplanten U-Bahn-Strecken gemeinsam zu Fuß ab. „Da merkt man erst, wie schön so eine U-Bahn ist. Die Strecke zu Fuß ist schon ‘ne Nummer “, lacht Lykourgos. Nur so könnten sie auch abschätzen, welche baulichen Schwierigkeiten bei einem Projekt auftreten oder es sogar ganz verhindern können.
„Das spannendste der letzten Zeit war, als wir in einen 20 Meter tiefen Schacht geklettert sind. Man glaubt ja gar nicht, was in Hamburgs Boden so alles drin steckt und dann eben im Weg sein kann.“
Aus diesen Beobachtungen und der Analyse von Einwohnern oder Verkehrsführungen entscheiden Lykourgos und seine Kolleginnen und Kollegen dann über Linienwege und Haltestellenlagen. Genauso untersuchen sie geeignete Bauverfahren und entwickeln auch Betriebskonzepte und Anforderungen an die neue U-Bahn. Am Ende steht dann erst einmal die Machbarkeitsuntersuchung, für die die Ingenieursbüros und die Informationen aus der Bauabteilung und dem Betrieb koordiniert werden. „Damit sind wir in einem ewigen Spannungsfeld von verkehrlichen und betrieblichen Anforderungen, Wirtschaftlichkeit und baulicher Realisierbarkeit.“ 2014 haben sie so schon die Konzeptstudie für den Ausbau des Hamburger U-Bahn-Systems erstellt und untersuchen auf deren Grundlage nun die bauliche Machbarkeit der einzelnen Streckenabschnitte. Das ist viel Arbeit, dauert lange und wird manchmal wirklich kompliziert. Trotzdem ist das Projekt für Lykourgos das non plus ultra: „Es geht ja vor allem darum, etwas für viele Generationen nach uns zu schaffen!“ Damit ist es für ihn natürlich ganz besonders, vom Beginn der Planungen dabei gewesen zu sein. „Wenn die U5 dann endlich fährt, wird das schon ein Wahnsinnsgefühl sein, dass man das mit entwickelt hat.“
Wir suchen übrigens hier gerade noch einen Kollegen für Lykourgos. Dem ist es in seinem großen Büro doch ein wenig zu einsam geworden 😉
Edit: Wir haben einen Kollegen gefunden! Vielen Dank für das Interesse, vielleicht findet sich ja eine Alternative? Einfach mal hier vorbei schauen.
Hallo Frau Gängrich, hallo Herr Tsirigotis,
natürlich ist die Nachricht erfreulich, dass die Planungen vorangehen und ich hoffe sehr, dass es zum ersten Spatenstich im Jahr 2021(?) kommen wird. Dennoch frage ich mich, was der Grund gewesen ist, dass das U-Bahn Netz trotz stetigem Einwohnerzahlwachstums in Hamburg 30 Jahre lang nicht erweitert wurde.
Natürlich war auch die U4 schon eine Erweiterung – aber sieht man den von dem Streckenabschnitt ab, der von der U2 stammt, und streicht die bislang nur in Planung befindlichen Haltestellen südlich der Elbe, bleiben da bislang „nur“ 3 Haltestellen (Überseequartier, HafenCity Universität und demnächst Elbbrücken). Das ist im Vergleich zu einer komplett neuen Linie noch überschaubar.
Da ist es natürlich besonders interessant zu erfahren, was sich jetzt geändert haben könnte, dass eine größere Erweiterung tatsächlich durchgeführt wird. Ebenso stehen noch möglicherweise 1-2 Regierungswechsel an, bis der erste Spatenstich erfolgt. Ob die Planungen dies überlegen, ist ja noch ein ganz anderes Thema.
Dennoch: Es gibt sicher viele viele Hamburger, die sich über diese neue U-Bahnlinie freuen würden. 🙂
Der Senat und der Erste Bürgermeister lassen keine Zweifel erkennen, dass die U-Bahn-Netzerweiterung (U4 Horner Geest und U5) umgesetzt werden soll. Auch unsere Planer geben Vollgas und sind mitten in den Machbarkeitsuntersuchungen.
Hallo Frau Gängrich und hallo
Herr Tsirigotis, in einigen Blog-Kommentaren wurde schon der große Abstand zwischen Jungfernstieg und Überseequartier bemängelt. Hier wäre sicherlich eine weitere Station sinnvoll. Nun kommt meine eigentliche Frage zur U5-Planung: Aus Gründen betrieblicher Flexibilität (siehe auch Planung zu Schlump) wäre doch auch eine Verbindung des westlichen Astes der U5 zur U4 sinnvoll und könnte sogar zu einer eigenständigen Linie aufgewertet werden. Die dazu notwendigen Arbeiten an der U4 könnten mit der Planung der oben beschriebenen zusätzlichen Station verknüpft werden.
Hat man in diese Richtungen schon mal Überlegungen angestellt?
Unsere Planer haben sich verschiedenste betriebliche Szenarien angesehen und sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine U4-Ausfädelung zur Horner Geest sehr sinnvoll ist. Damit bekommt die U4 dann aber eben einen Streckenverlauf, der in den Osten der Stadt führt. Eine Übergangsmöglichkeit zwischen U4 und U5 im Innenstadtbereich zu schaffen, wäre sehr teuer und nicht alleine mit dem Argument „Flexibilität“ zu rechtfertigen. Von der U5 wird es ja allerdings attraktive Umsteigemöglichkeiten auf andere Linien geben.
Na, dann drücken wir Herrn Tsirigotis mal die Daumen, dass er die U5 nicht nur plant, sondern sie in diesem Leben auch noch gebaut wird. ; )