Abbiegeassistenzsystem – Sperriges Wort, aber hilfreich im sicheren Miteinander von Bus und Rad

Die Anzahl der Radfahrerinnen und Radfahrer in Hamburg steigt. Und das ist auch gut so, denn wie die Busse leisten sie einen wesentlichen Beitrag dazu, die CO₂-Emissionen in der Stadt zu senken. Gleichzeitig fordert der zunehmende Radverkehr auch die anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer und damit auch den Busbetrieb. Denn im alltäglichen Straßenverkehr kreuzen sich insbesondere die Wege von Bussen und Fahrrädern besonders häufig – sei es beim Einscheren in eine Haltestelle oder beim Abbiegevorgang an einer Kreuzung.

Dabei kann es zu brenzligen Situationen oder im schlimmsten Fall auch zu Unfällen kommen. Um diese Gefahr zu reduzieren, rüstet die HOCHBAHN ihre Busse nun mit einem Abbiegeassistenzsystem aus. Es soll Busfahrerinnen und Busfahrer dabei unterstützen, Radfahrende frühzeitig zu erkennen und Zusammenstöße zu vermeiden.

Aber wieso passiert das erst jetzt, wenn das Risiko doch schon seit Langem besteht und beispielsweise Pkws – aber mittlerweile auch LKWs – schon häufig mit solchen Hilfssystemen ausgestattet sind? Die Stadt Hamburg beispielsweise hat bereits 870 ihrer städtischen Lastwagen über 7,5 Tonnen und damit rund 97 Prozent der Flotte mit intelligenten Abbiegeassistenzsystemen ausgerüstet.

Wieso werden Busse erst jetzt mit dem Abbiegeassistenzsystem ausgestattet?

Es gibt bislang nur wenige Systeme, die für die spezifischen Anforderungen im Linienbusbetrieb geeignet sind. Das hat folgenden Grund: Busverkehr in Hamburg bedeutet, dass Fahrzeuge oft innerstädtisch und im engen Straßenraum unterwegs sind. Dabei müssen viele Abbiegevorgänge an dicht bebauten und bepflanzten Kreuzungen absolviert werden. Außerdem werden Haltestellen mit Fahrgästen im Minutentakt bedient und dabei von der Fahrspur abgebogen oder gewechselt und gekreuzt. Darum ist ein System erforderlich, welches zwischen stehenden Objekten, wie Bäumen, Straßenschildern oder wartenden Fahrgästen, und tatsächlich beweglichen unterscheidet und somit gezielt im Abbiegevorgang unterstützen kann.

Long story short: ist das System nicht verlässlich in der Lage, zwischen statischen Objekten bzw. wartenden Fahrgästen und aktiven Verkehrsteilnehmer*innen zu differenzieren, kann es zu einer Vielzahl an Fehlermeldungen kommen, die das Fahrpersonal am Ende mehr stören als unterstützen. In der Folge achten die Busfahrer*innen möglicherweise gar nicht mehr auf die Signale und übersehen damit tatsächliche Gefahrenstellen.

Und wie funktioniert der Abbiegeassistent bei Bussen nun?

Nach eingehenden Tests setzt die HOCHBAHN auf ein radarbasiertes Abbiegeassistenzsystem. An der rechten Außenseite des Busses ist ein Sensor angebracht, der einen Bereich von drei Metern Breite und zehn Metern Länge erfasst. Das passiert, indem elektromagnetische Wellen ausgesendet werden und das Echo ausgewertet wird.

Abbiegeassistenzsystem für Busse
Sensor an der Außenseite des Busses

Sobald Fahrer*innen den Blinker setzen, um einen Abbiegevorgang zu starten, schaltet das System in einen Warnmodus. Wenn sich zu dieser Zeit Radfahrende, Fußgänger*innen oder E-Scooter im entsprechenden Bereich befinden, erkennt der Sensor sie und bestimmt deren Abstand, Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung. Durch diese Messungen wird ersichtlich, dass es sich um kein statisches Objekt, sondern einen aktiven Verkehrsteilnehmenden handelt. Das Fahrpersonal im Bus erhält daraufhin sowohl ein akustisches als auch optisches Signal und ist gewarnt.

Warnsignal für Busfahrer*innen
Akustisches und optisches Signal für Busfahrer*innen

Was bedeutet das für die Zukunft?

Klar ist, dass im Großstadtverkehr immer gegenseitige Rücksichtnahme geboten ist. Doch auch bei aller Rücksichtnahme und Vorsicht können tote Winkel und unübersichtliche Situationen nicht immer vermieden werden. An dieser Stelle kommen solche technischen Lösungen als zusätzliche Unterstützung für das Buspersonal zum Einsatz.

Nachdem die HOCHBAHN im vergangenen Jahr verschiedene Technologien eingehend getestet und sich das radarbasierte System bewährt hat, wird es nun nach und nach in den Bussen eingebaut.

Geplant ist, dass im Laufe des kommenden Jahres dann die gesamte Busflotte der HOCHBAHN mit einem Abbiegeassistenten durch Hamburgs Straßen fährt.

Und ab 2024 sind Abbiegeassistenzsysteme für Stadtbusse laut EU-Verordnung bei Neuzulassungen ohnehin verpflichtend. Mit der vorzeitigen Aufrüstung der Bestandsflotte setzt die HOCHBAHN ein Zeichen zum sicheren Miteinander von Bus und Rad als wesentliche Treiber der Mobilitätswende in Hamburg.


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6 Kommentare zu: Abbiegeassistenzsystem – Sperriges Wort, aber hilfreich im sicheren Miteinander von Bus und Rad

  1. Bus Number 16 from bus station blücherstraße it comes always early I look in the HVV app it’s written in the app it comes at 9:28 but it comes at 9:25 and it didn’t wait that’s a point point number 2 if it came early and didn’t find anyone at the bus station and sometimes am at running to catch the bus it don’t wait and it’s totally not ok when it’s happen for more than 2 times or you have to put a new plan .. thanks

    1. I agree, it’s annoying when the bus leaves too early, it’s not supposed to be that way. Unfortunately, I cannot comprehend this here in the blog. Please send the exact case by mail to my colleagues at info@hochbahn.de.

  2. Solche Systeme hätten bereits früher eingesetzt werden sollen. Daher: Danke.
    Allerdings bleiben noch einige Fragen übrig die das System und die Anzeige betreffen:
    (1) Der Messbereich soll nur 3×10 Meter betragen. Bei einem Solobus sollte das ausreichend sein; für einen Gelenkbus erscheint mir dieser Bereich als viel zu klein. Oder wird am hinteren Busteil ein weiterer Sensor montiert?
    (2) Wie auffällig ist die optische Anzeige? Im Bild ist nur ein kleines Licht neben dem Spiegel zusehen. Gibt es im weiteren Sichtfeld des Fahrers oder der Fahrerein eine weitere optische Anzeige (z.B. LED-Streifen über einen großen Bereich der Frontscheibe).
    (3) Kann das Personal das System abschalten? Grund meiner Frage: Ein Bekannter von mir fährt seit vielen Jahren LKWs und sein Chef hat Abbiegeassistenten montieren lassen. In einem Gespräch äußerte er in etwa: „Ich habe noch nie einen Unfall mit Radfahrern gehabt. Das Ding gibt immer wieder Fehlalarme. Das nervt; und darum schalte ich das Ding immer wieder ab.“

    1. Zu 1: Die Sensoren werden sowohl für Solo- als auch Gelenkbusse verwendet, der Messbereich ist größer als das vorgeschriebene Mindestmaß und erfüllt den Zweck, Fußgänger*innen und Radfahrende bei Abbiegevorgängen zu erkennen. Gelenkbusse haben daher keinen weiteren Sensor am hinteren Busteil.
      Zu 2: Da die Busfahrer*innen beim Rechtsabbiegen die rechte Straßenseite und den Außenspiegel im Blick haben und sich die Anzeige im entsprechenden Sichtfeld befindet, ist sie gut erkennbar. Werden sich bewegende Objekte im Messbereich erkannt, gibt es zusätzlich zur LED 5 kurze Warntöne.
      Zu 3: Das System kann nicht durch das Fahrpersonal abgeschaltet werden.

  3. Hallo,
    das sind gute Neuigkeiten, die das Miteinander auf den Strassen für alle Beteiligten sicherer und angenehmer machen. Danke!
    Zugleich wäre es aber auch sehr wichtig, alle BusfahrerInnen explizit zu schulen, was das Überholen von Radfahrern angeht: Meine Familie und ich sind bereits selbst Opfer von Beinhahe-Unfällen geworden. Wenn es keinen Radweg gibt, müssen die Busse Radfahrer überholen. Aber manchmal scheren sie zu früh wieder nach rechts ein und als Radfahrer wird man vom hinteren Busende (gerade bei den Gelenkbussen) zwischen Bordsteinkante und Bus zerquetscht! Es wird nicht berechnet, dass wir uns ja auch weiter fortbewegen.
    Wir konnten uns zum Glück durch abruptes Abbremsen und nach rechts werfen retten, es hätte aber auch schlecht ausgehen können! Der Schock sitzt jedenfalls tief – und die BusfahrerInnen haben es nicht mal bemerkt.
    Daher unsere ausdrückliche Bitte, hier nachzuschulen! Als HVV-Abonennten und Hamburger zählen wir auf euch. Danke!
    Viele Grüße

    1. In Bezug auf „Überhohlvorgängen“ und damit verbunden „Beinaheunfällen“ kann ich Ihnen nur zustimmen. Vieleicht wäre es gut wenn die Busse (vorrangig Gelenkbusse) neben dem Abbiegeassistenten im hinteren Bereich eine Minikamera bekommen würden und im Sichtbereich des Fahreres ein weiterer Monitor aufgestellt würde.
      Dabei denke ich an die Kameras und Monitore die in einigen „Bergziegen“ als Ersatz für Rückspiegel montiert sind. In diesem Zusammenhang jedoch nicht nur vorne sondern zusätzlich weiter hinten (mindestens hinter dem Gelenk).
      Um das Personal nicht permanent abzulenken könnte der Monitor mit dem Radar verbunden sein. Er zeigt nur dann ein Bild wenn der Sensor ein relevantes Objekt erkennt.

      Der Monitor könnte zusätzlich als „Anhaltehilfe“ dienen, in dem der Fahrer erkennt ob der Bereich VOR den Türen frei ist. Ich habe bereits viele Situationen erlebt in der der Ausstieg durch Hindernisse (Laternen, Schilder, etc.) blockiert war. Für Fußgänger stellt das meistens kein Problem dar; für Behinderte mit Rollstuhl oder Rollator sowie Kinderwagen sind diese Hindernisse sehr wohl ein Problem dar.

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