Foto eines Handlaufs am Jungfernstieg, der mit einer Plakette ausgestattet ist: In Braillie- und Klarschrift weist sie den Weg zur Petrikirche.

Blind oder sehbehindert unterwegs: Wie barrierefrei sind Bus und Bahn?

Wer unserem Blog oder Social-Media-Kanälen folgt, der ist an dem Thema wohl kaum vorbeigekommen: Der barrierefreie Ausbau der HOCHBAHN-Haltestellen. Ziel dahinter ist, möglichst allen Menschen die Teilhabe an einer nachhaltigen Mobilität zu ermöglichen – egal, ob sie eine körperliche Einschränkung haben oder aber mit Kinderwagen, Fahrrad und Co. unterwegs sind. In den letzten Jahren ist die HOCHBAHN deshalb richtig steil gegangen, hat Aufzüge gebaut und Bahnsteige erhöht und dafür sogar über 100 Jahre alte Haltestellen ausgebaut. Die meisten Arbeiten haben dabei einen gemeinsamen Fokus: Mobilitätseingeschränkten Fahrgästen die Hürden zu nehmen. Um ein anderes Thema war es dagegen vergleichsweise ruhig – die Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Fahrgäste. Steigen wir hier also einmal tiefer ein, wo die HOCHBAHN da steht!

Unterwegs mit Sehbehinderung

Schauen wir uns dafür erst einmal die Hürden an, die blinden oder sehbehinderten Menschen bei der Nutzung des ÖPNV oft im Wege stehen. Vorstellen kann man sich das gut im U-Bahn-Bereich: Wie etwa soll eine Person, die schwer oder gar nicht sehen kann, den Weg zum richtigen Gleis finden? Oder erkennen, ob am Jungfernstieg gerade ein Zug der U2 oder der U4 vor ihr steht? Wie soll sie wissen, welche Informationen der Zugzielanzeiger gerade anzeigt? Und wenn Durchsagen im Zug manchmal schwer verständlich sind, dann können normal sehende Fahrgäste einfach an einem der Monitore schauen, welche Haltestelle die nächste ist – für Menschen mit Sehbehinderung wird auch das schnell zur Hürde.

Ähnlich ist es beim Bus-Fahren: Etwa dann, wenn Fahrgäste mit Sehbehinderung an einer von verschiedenen Linien angefahrenen Haltestelle den richtigen Bus finden müssen (denkt z.B. einmal an den Rathausmarkt). Oder wenn sie die Informationen brauchen, die Fahrplanaushänge oder digitale Fahrgastinformationen für normal sehende Fahrgäste bereitstellen. Ihr merkt: Die Liste der Hürden kann für blinde und sehbehinderte Fahrgäste schnell lang werden.

Eine Haltestelle, mehrere Linien: Am Rathausmarkt kann die Suche nach dem richtigen Bus schnell schwierig werden.

Orientierung durch Tasten

Deshalb gibt es im HOCHBAHN-Netz verschiedene Hilfen, die Betroffenen ihre Wege durch Hamburg erleichtern sollen. Schauen wir uns den Stand der Dinge also einmal genauer an. Starten wir dafür mit den taktilen Maßnahmen, also denen, die Menschen mit Seheinschränkung ertasten können.

Da sind zum einen die taktilen Leitsysteme an U-Bahn- und Bushaltestellen, besser als Blindenleitstreifen bekannt. Über Noppen sind sie für sehbehinderte Fahrgäste z.B. per Blindenstock ertastbar und weisen ihnen so den Weg etwa entlang des Bahnsteigs. Für viele sind sie damit ein entscheidendes Element, um Bus und Bahn überhaupt nutzen zu können. Die Streifen wurden inzwischen an den meisten Haltestellen installiert und sind bei Neubauten Standard. Und trotzdem: An einigen Stellen gibt es noch Lücken – hier gibt es also auch weiterhin was zu tun.

Foto eines taktilen Leitstreifens am Bahnsteig der U-Bahn-Haltestelle Rathaus
Die taktilen Leitstreifen bieten an den Haltestellen Orientierung.

Ein weiteres Element sind taktile Beschriftungen. Was es vereinzelt in Bussen oder Aufzügen schon länger gibt, wird jetzt ausgeweitet: Gerade diesen Monat hat die HOCHBAHN die Handläufe an der Haltestelle Jungfernstieg (die ja schon für Menschen ohne Sehbehinderung schnell unübersichtlich wird!) mit Plaketten ausgestattet. In Blinden- und Klarschrift geben sie jetzt Orientierung, zu welchem Ausgang oder Bahnsteig die Treppe vor einem führt. Auch hier tut sich also was. Klar ist aber auch: Damit sich Betroffene auf ihrer gesamten Reise gut zurechtfinden, muss (und wird) das Konzept auf weitere Haltestellen ausgeweitet werden.

Foto eines Handlaufs, der mit einer Plakette ausgestattet wurde. In Klar- und Braillie-Schrift markiert sie den Standort Alster-Uferweg. Im Hintergrund die Binnenalster.

Am Jungfernstieg helfen die neuen Hinweise in fühlbarer Schrift jetzt bei der Orientierung.

Sehen und hören – Informationen nach dem Zwei-Sinne-Prinzip

Taktile Orientierungshilfen reichen für sich aber nicht aus. Ein wichtiger Anspruch im hvv ist nämlich das Zwei-Sinne-Prinzip: Demnach sollen Informationen immer über mindestens zwei von drei Sinnen wahrnehmbar und damit eben auch sicht- und/oder hörbar sein.

Da gibt es zum einen natürlich die Durchsagen, über die wichtige Informationen auch sehbehinderten Fahrgästen zur Verfügung stehen. Zum einen in den Fahrzeugen selbst (“nächster Halt”, “Ausstieg links”, “bitte beachtet”… ihr kennt es), zum anderen an den Bahnsteigen, etwa zu einer Verspätung. Hier wird also schon sehr auf auditive Kommunikation geachtet. Und doch gibt es auch hier noch Lücken: So ist für blinde und sehbehinderte Fahrgäste zum Beispiel an Doppel-Haltestellen aktuell nicht klar, welcher Zug gerade einfährt (denkt da z.B. einmal an den Hauptbahnhof). Das will die HOCHBAHN ändern und plant daher für die U2/U4 Bahnsteigdurchsagen zur Linie und Fahrtrichtung.

Neu in Hamburg ist außerdem die Custom App, die die vhh.mobility gemeinsam mit sehbehinderten und blinden, aber auch schwerhörigen und tauben Menschen entwickelt hat. Betroffene Fahrgäste wurden dafür nach für sie besonders herausfordernden Hürden gefragt. Das Ergebnis: Wichtige Informationen – wie etwa auf dem Zugzielanzeiger, Busmonitor oder auch aus dem Fahrgastfernsehen – sind hier sowohl auditiv als auch visuell in vergrößerter Schrift zugänglich. Verfügbar sind diese Informationen aktuell für Busse der vhh.mobility. Hier muss es jetzt natürlich weitergehen: Im nächsten Schritt sollen auch Busse und U-Bahnen der HOCHBAHN integriert werden.

Barrierefreiheit – da geht noch was.

Am Ende können wir festhalten: Gerade was die Barrierefreiheit für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste angeht, hat sich die HOCHBAHN in relativ kurzer Zeit sehr gut aufgestellt. In etwas mehr als zehn Jahren wurden 96 % der U-Bahn-Haltestellen für sie barrierefrei ausgebaut (zum Vergleich: 2012 waren es gerade einmal 40 %!). Bei den Maßnahmen für blinde und sehbehinderte Fahrgäste fällt die Bilanz gemischter aus: Einige wichtige Schritte wurden bereits umgesetzt oder sind zumindest in der Planung. Im Visier hat die HOCHBAHN das Thema also. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass hier noch nicht alle Probleme gelöst sind. Wenn Menschen sich etwa an Bushaltestellen erst zur richtigen Linie durchfragen müssen, dann heißt das ganz klar: Hier muss die HOCHBAHN weiterhin Dampf machen und den barrierefreien Ausbau weiter voranbringen!


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