Diskussion um Begriff "Schwarzfahren"

Ab sofort kein „Schwarzfahren“ mehr – Wieso die HOCHBAHN diesen Begriff nicht mehr nutzt und was dahintersteckt

Wer in den letzten Tagen nicht in völliger Medien-Abstinenz gelebt hat, dem oder der wird wohl nicht die Diskussion um die Begriffe „Schwarzfahrer“ bzw. „Schwarzfahren“ entgangen sein. Der Grund: Mehrere Verkehrsunternehmen, darunter auch die HOCHBAHN und der HVV, sind sich einig, diese Begriffe künftig nicht mehr zu nutzen. Da die darüber geführte Diskussion in den Medien ziemlich entfacht ist, habe ich einmal mit meiner Kollegin Constanze Dinse gesprochen.

Um was geht es in der Diskussion genau?

Los ging es vor einer Woche mit der Meldung, dass die Münchener und Berliner Verkehrsbetriebe Plakate mit dem Wort „Schwarzfahrer“ ausgetauscht haben. Schnell liefen dann auch Medienanfragen beim HVV und der HOCHBAHN auf. Nach einem kurzen Abgleich war klar: Eigentlich nutzen die Verkehrsunternehmen im HVV die Wörter „Schwarzfahren“ und „Schwarzfahrer“ aktiv gar nicht mehr, sondern reden schon seit Längerem vom „Fahren ohne Ticket“. Zwar gibt es noch entsprechende Hinweisschilder in Bussen und Bahnen und an einigen weiteren Stellen, aber primär werden diese Begriffe eher von Medien genutzt. Ob und wie schnell die Aufkleber jetzt ausgetauscht werden, ist noch nicht entschieden. Fakt ist aber, das Wort verschwindet in der (HOCHBAHN)-Kommunikation mehr und mehr – und das ist auch gewollt.

Weshalb verabschiedet sich die HOCHBAHN – wie einige andere Verkehrsunternehmen – von diesem bislang sehr gängigen Begriff?

Für die HOCHBAHN und auch für andere Verkehrsunternehmen ist das ein ganz normaler Prozess. Die Kommunikation mit Fahrgästen wird laufend hinterfragt, weil sich Sprache eben auch stetig verändert. Es ist wichtig, dass alle Menschen, die mit Bus und Bahn fahren, die Informationen eindeutig verstehen und sich niemand ausgeschlossen oder gar diskriminiert fühlt. Darum hat sich schon seit längerem eine schrittweise Ablösung der Begriffe „Schwarzfahrer“ und „Schwarzfahren“ ergeben. „Fahren ohne Ticket“ ist eindeutig und beispielsweise auch für Menschen ohne gute Deutschkenntnisse leichter verständlich bzw. zu übersetzen – und das ist in einer Weltstadt wie Hamburg einfach sinnvoll.

Wieso darf man die Begriffe denn auf einmal nicht mehr verwenden? Übertreiben wir da nicht?

Es gibt kein Verbot, diese Wörter zu benutzen. Das war und ist nicht das Ziel. Aber: Die HOCHBAHN und andere Verkehrsunternehmen haben für sich entschieden, die Begriffe in ihrer Kommunikation nicht mehr zu verwenden. Es mag sein, dass das Wort „Schwarzfahren“ ursprünglich nichts mit Hautfarbe zu tun hat, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass Personengruppen mit nicht-weißer Hautfarbe eher das Fahren ohne Ticket zugeschrieben wird als solchen mit weißer Haut. Das Wort „Schwarzfahrer“ kann in diesem Kontext missbraucht oder auch missverstanden werden. Das Problem löst sich natürlich nicht allein durch das Verzichten auf diese Begriffe. Aber es gibt aus Sicht der HOCHBAHN keinen Grund, daran festzuhalten, wenn es doch eine viel passendere, neutrale und somit zeitgemäße Beschreibung gibt: Fahren ohne Ticket – prägnant, präzise, verständlich.

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17 Kommentare zu: Ab sofort kein „Schwarzfahren“ mehr – Wieso die HOCHBAHN diesen Begriff nicht mehr nutzt und was dahintersteckt

  1. Ich finde es irgendwie komisch, dass sich hier so viele ausführlich künstlich über „Verbote“ aufregen und sich ausgiebig einer infantilen Sturheit hingeben aber ernsthaft fragen, ob es denn nichts wichtigeres als dieses Thema gibt.

  2. Ich halte hiervon nichts.
    Das ist an den Haaren herbeigezogen.
    Gibt es keine anderen Probleme ?

    Ich gehe jetzt zu MC Donalds und untersage denen die Bezeichnung „Hamburger“ zu verwenden.

    Ich will nicht gegessen werden.

    Fühle mich beim Anblick der Speisekarte diskriminiert.

    Was folgt dann?

    Haben wir auch kein Schwarzgeld mehr?
    Was ist mit dem Schwarzmarkt?

    Was macht das Schwarzwild jetzt ?

    1. Der Unterschied sollte, denke ich, klar sein: Eine Wandfarbe kann nicht in direkten Zusammenhang mit einer Personengruppe gebracht und daher missbraucht oder missverstanden werden. Schwarz und weiß sind nun mal keine umgangssprachlichen Begriffe.

      1. Da machen Sie es sich aber viel zu einfach, Frau Steinat. Man sollte durchaus psychologisch hinterfragen, was der Designer im Schilde führte, als er sich bei der Wandgestaltung für die Farbe Schwarz entschieden hat. Warum gerade Schwarz, wo er doch aus mindestens 16 Millionen anderen Farbtönen hätte schöpfen können? Wollte er womöglich, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe in dunkler Kleidung vor der Wand unsichtbar werden? Was sagt uns diese Absicht, Menschen unsichtbar zu machen, wo wir doch alle möchten, dass Vielfalt jederzeit sichtbar ist? Ich habe ein ganz ungutes Gefühl, dass hier möglicherweise eine unerträgliche Gesinnung zutage tritt. Fragen Sie mal die Twitter-Gemeinde, was die davon hält.

      2. War das ein Witz? Heutzutage werden auch Wandfarben in Zusammenhang mit Personengruppen gebracht….

  3. Wir müssen die Menschen nicht fragen. Dieses Wort ist ein Teil des kolonialen Erbes. Wer das nicht weiß sollte sich die Ausstellung im Museum der Arbeit ansehen oder ins Marrk gehen.

  4. „weil sich Sprache eben auch stetig verändert“

    Tut sie in diesem Fall aber nicht. Ihr seid es, die die Sprache verändern, nicht die Fahrgäste.

    „Es ist wichtig, dass alle Menschen, die mit Bus und Bahn fahren, die Informationen eindeutig verstehen und sich niemand ausgeschlossen oder gar diskriminiert fühlt.“

    Fühlen sich schwarze Menschen denn diskriminiert dadurch? Habt ihr sie gefragt?

  5. Soll in Zukunft jeder Gedanke und jeder Satz verboten werden, sobald sich die erste Person meldet, die ihn falsch versteht? Bei Begriffen wie Schwarzfahrer oder Schwarzgeld an eine Hautfarbe zu denken, lässt auf einen eklatanten Mangel an abstraktem Denkvermögen schließen. Man könnte standhaft sein und darauf bestehen, dass die Personen, denen dieses abstrakte Denkvermögen fehlt, Begriffe wie Schwarzfahrer dazu nutzen, es sich anzueignen. Aber nein, wir schaffen stattdessen lieber unseres ab.

    Abstraktes Denken ist die Grundlage der Zivilisation. Wie wird sich die Gesellschaft verändern, wenn wir unser abstraktes Denkvermögen opfern, indem wir uns in jedem Lebensbereich auf den dümmsten Nenner, auf die “einfach(st)e Sprache”, auf Abwesenheit von Humor etc., einigen wollen? Die Zukunft wird spannend.

  6. Wenn die Hochbahn tatsächlich empirisch belegt erforscht hat, dass sich Fahrgäste von der Bezeichnung diskriminiert fühlen und dies kein Einzelfall ist, ist die Entscheidung durchaus logisch.

    Die meiner Meinung nach wesentlich wichtigeren zu klärenden Fragen bezüglich Beförderungserschleichung:

    – Welche Personengruppen haben (regelmäßig) kein Ticket?
    – gibt es Zusammenhänge zwischen Nettoeinkommen und dem Verhalten, sich kein Ticket zu kaufen?
    – Spielt die Entfernung zur Arbeit/ Jobcenter etc. eine Rolle (Preise der Tickets in Relation zu Entfernung zu genannten Zielen)
    – Soziologie der „Schwarzfahrer“: Steckt hinter diesem Verhalten mehrheitlich Geiz, Dreistheit, Unvermögen Wirtschaften mit eigenem Geld umzugehen, tatsächlich zu geringes Nettoeinkommen (Armut), Unwissenheit über das Tarifsystem (gerade bei Lösen „falscher Tickets“)

    – Würden bei einer Quote von 0% Fahrgästen ohne Ticket, die jetzigen Beförderungserschleichenden ein Ticket kaufen oder den ÖPNV gänzlich meiden (keine Mehreinnahmen!) und entweder ihr Ziel gar nicht oder anders erreichen.

    – Verhältnis Kosten für Prüfpersonal im Verhältnis zu Anzahl Fahrgäste ohne Ticket und Einnahmen durch Strafzahlungen
    – Verhältnis „Schwarzfahrerquote“ zu „Prüfquote“
    – Kosten durch Strafverfahren

  7. Hmm… ich habe beim Begriff „Schwarzfahrer“ noch nie an die Hautfarbe der entsprechenden Person gedacht. Auch nicht bei sinnverwandten Begriffen wie „Schwarzarbeit“, „Schwarzgeld“ und „Schwarzmarkt“.

    Ich bin mir nicht sicher, ob es sich hier nicht möglicherweise um eine etwas übervorsichtige Reaktion handelt, um sich nicht mit dem Vorwurf des Rassismus aussetzen zu müssen.

    Letztlich ist aber wohl auch korrekt, dass „Fahren ohne Ticket“ für Personen mit guten deutschen Sprachkenntnissen inhaltlich keinen Unterschied macht zu „Schwarzfahrer“ und in der Tat barriereärmer sein könnte für Menschen mit weniger guten deutschen Sprachkenntnissen.

  8. Der Vollständigkeithalber zum Schwarzfahren:
    Ursprünglich geht er eher darauf zurück, dass Tätigkeiten bei Nacht durchgeführt wurden. Beziehungsweise sagte der Sprachwissenschaftler Eric Fuß in deutschen Medien, dass der Ausdruck vom jiddischen Wort „shvarts“ (Armut) komme und demnach Menschen bezeichnete, die zu arm waren, um sich ein Ticket zu kaufen.
    Quelle: NDR

    Fahren ohne Ticket:
    Das Wort Ticket kommt ist aus dem französischen Worte E-tiket-te abgeleitet. Ich hoffe niemand fühlt sich diskriminiert, weil man ihm evtl. die Etikette abspricht.
    Quelle: Duden

    1. Ihren Kommentar kann man nur unterstreichen. Wer sich vom Wort „Schwarzfahren“ diskriminiert fühlt, kennt sich nicht in der deutschen Sprache aus. Übrigens kommt das Wort „Schwarzarbeit“ nicht daher, dass dort Menschen mit dunkler Hautfarbe arbeiten.

      1. Wie bereits im Blogbeitrag erklärt: „Es mag sein, dass das Wort „Schwarzfahren“ ursprünglich nichts mit Hautfarbe zu tun hat, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass Personengruppen mit nicht-weißer Hautfarbe eher das Fahren ohne Ticket zugeschrieben wird als solchen mit weißer Haut. Das Wort „Schwarzfahrer“ kann in diesem Kontext missbraucht oder auch missverstanden werden.“

      2. Stimme uneingeschränkt zu! Dabei lehne ich sprachliche Veränderungen nicht grundsätzlich ab. Die Bezeichnung „Eskimorolle“ im Kanusport durch „Kenterrolle“ zu ersetzen, finde ich beispielsweise durchaus richtig, weil aussagekräftiger. Dass bei den Inuit „Eskimo“ „Fleischfresser“ bedeutet und damit ein Schimpfwort ist, interessiert mich dabei wenig.

      3. Sehr geehrte Frau Steinat, es wäre nett wenn Sie Ihre Gedankengänge bei bestimmten Begriffen nicht auf alle anderen Menschen Ihrer Umgebung umsetzen.

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