Titelbild Ringlinie U3 HOCHBAHN Hamburg

Der Bau der Ringlinie U3 – Grundstein für das moderne U-Bahn-System von heute

Täglich fahren 1,2 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger mit der HOCHBAHN zur Arbeit, zu Freunden, Freizeitaktivitäten oder Kulturveranstaltungen. Die U-Bahn mit ihren vier Linien ist dabei ein zuverlässiger Zubringer im Alltag, der irgendwie schon immer da war – oder…?

Blicken wir zurück in eine Zeit, als die Schiffe im Hafen noch Segel setzten und auf den Straßen Pferde trabten:
Die Schiffe brachten Waren aus aller Welt nach Hamburg, die in der neuen Speicherstadt gelagert und im Freihafen verarbeitet wurden. Die Wirtschaft an der Elbe brummte, Hamburg war einer der bedeutendsten Häfen weltweit. Kein Wunder, dass die Bevölkerung wuchs, von 300.000 1871 auf etwa 700.000 im Jahr 1900 und wenig später sogar auf eine Million. Für viele der Neu-Hamburger entstanden Wohngebiete am Stadtrand, etwa in Barmbek oder Eimsbüttel. Das Problem dabei: Die meisten Arbeitsstätten lagen weiterhin im Zentrum der Stadt, nämlich im Hafen und den dortigen Industriebetrieben.


Moderner ÖPNV für eine moderne Stadt.

Bau der U3 Isebekkanal
Bau der Brücke über den Isebekkanal an der Haltestelle Eppendorfer Baum, 1911

Zwar gab es schon einen ÖPNV in Hamburg – seit 1839 fuhren Pferdeomnibusse, die allmählich von Straßenbahnen abgelöst wurden. Deren Streckennetz wuchs von 92 km 1893 auf 294 km im Jahr 1902, und die Zahl der Fahrgäste stieg, auch wegen der Einführung der elektrischen Straßenbahn 1893/94, von 47 Millionen 1893 auf 121 Millionen 1904. Doch die Fahrzeiten waren lang und die Fahrpreise hoch, und gerade die gering bezahlten Tagelöhner, die ohnehin um ihre Existenz kämpften, konnten sich den ÖPNV nicht leisten.

Hinzu kam, dass es bis 1897 keine Frühzüge gab, die die Arbeiter rechtzeitig zum Schichtbeginn in den Hafen hätten bringen können. Die wurden erst nach den Hafenarbeiterstreiks von 1896/97 eingeführt. Also gingen die meisten Arbeiter zu Fuß – mehrere Stunden Fußmarsch hin und zurück, jeden Tag.

Was fehlte war ein modernes Massentransportmittel. Dabei ging es um mehr, als „nur“ darum, die Menschen von A nach B zu bringen. Vielmehr blicken Senat, Bürgerschaft und die ratgebenden Kommissionen voraus. Es galt, die Stadt umfassend zu erschließen, erschwingliche Fahrpreise zu ermöglichen und ein Verkehrsmittel zu bauen, das flexibel erweiterbar war, um mit dem Stadtwachstum mithalten zu können.


Die Lösung: eine U-Bahn.

1906 starteten die umfangreichen Arbeiten. Straßen wurden aufgerissen, Tunnel gebaut, Viadukte errichtet. Daraus entstand bis 1912 ein U-Bahn-Ring mit 23 Haltestellen rund um die Alster, der alle wichtigen Teile der Stadt berührte, dazu eine Werkstatt und ein Kraftwerk zur Stromversorgung in Barmbek.

Senatoren, Bürgerschaftsabgeordneten und Vertretern der Baufirmen fuhren auf der Eröffnungsfahrt am 15. Februar 1912 erstmals über auf der Ringlinie, die Hamburger Bürger starteten dann im März nach Fahrplan ins U-Bahn-Zeitalter.


Netzplanung – die Zukunft im Blick.

Die Haltestelle Ohlsdorf im Dezember 1914
Die Haltestelle Ohlsdorf im Dezember 1914.

Bei den Planungen zur Ringlinie wurde die Zukunft der Stadt gleich mitgedacht: Die wachsenden Arbeiterstadtteile Rothenbursgort und Eimsbüttel wurden in den folgenden Jahren mit Zweiglinien ebenfalls ans U-Bahn-Netz angeschlossen. Genauso wie Ohlsdorf, das mit dem dortigen Friedhof – immerhin (bis heute) der größte Parkfriedhof Europas – und ein wichtiges Hamburger Naherholungsgebiet, an den schnellen ÖPNV angebunden wurde. Die U-Bahn-Linie war gerade hier ein wichtiges stadtplanerisches Mittel, um die Besiedlung des Gebietes zwischen Winterhude und Ohlsdorf voranzubringen. Noch war dort, abgesehen von alten dörflichen Strukturen in Alsterdorf, wenig gebaut worden. Mit einer guten Verkehrsanbindung aber sollte sich das schnell ändern.


Die Ringlinie – Grundstein für unser U-Bahn-Netz.

U3 Blick von der Haltestelle Landungsbrücken, Juni 1912
Blick von der Haltestelle Landungsbrücken, Juni 1912

Für die ganze Stadt bedeutete die U-Bahn einen Aufbruch. Mit ihr konnten die Fahrgäste nun nicht nur relativ schnell und bequem die innerstädtischen Distanzen überbrücken. Die Geschwindigkeit mit der das geschah, war zudem eine völlig neue Erfahrung und verschaffte ihnen selbst auch mehr Zeit, denn oft fielen die langen Fußmärsche weg. Und persönlich veränderte sich auch etwas: In den U-Bahnen und auf den Haltestellen trafen sich jetzt Menschen, die sich sonst kaum begegneten: Herrschaften und Arbeiter, Tagelöhner und Pfeffersäcke.

Die U-Bahn war also mehr als nur ein technisch hochmodernes Beförderungsmittel. Sie trug auch dazu bei, dass Hamburg im Inneren zusammenrückte und ein modernes städtisches Empfinden aufkam. Von Anfang an hatten die Stadt Hamburg und die 1911 als Betreiber gegründete Hamburger Hoch- und Untergrundbahn Aktiengesellschaft die Fahrgäste ebenso wie die städtebauliche Zukunft im Blick und legten mit vorausschauenden Infrastrukturmaßnahmen den Grundstein für das moderne U-Bahn-System von heute.


Moin! Ich bin Daniel und für Historisches bei der HOCHBAHN zuständig. Nachdem ich mit meinem Studium der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte fertig war, ging es vor über 10 Jahren direkt zur HOCHBAHN. Hier habe ich die History-Marketing-Kampagne zum 100-jährigen Jubiläum der U-Bahn mitgestaltet und das historische Archiv aufgebaut habe – eine tolle Möglichkeit, das Unternehmen zu erforschen, Hamburgs Geschichte zu erzählen und das modern zu kommunizieren. Ab sofort gibt es von mir also auch hier im Blog ab und an was von damals zu lesen. Ich wünsche Euch viel Spaß damit.

 

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10 Kommentare zu: Der Bau der Ringlinie U3 – Grundstein für das moderne U-Bahn-System von heute

  1. Morgen vor 75 Jahren, am 27.7.1943 fuhr die letzte U-Bahn auf dem Rothenburgsorter Ast. In der Nacht fiel die Strecke den Bombenangriffen zum Opfer und wurde nicht wieder aufgebaut.

  2. Hallo Daniel, sind Sie nicht auch immer auf dem Besucherprogramm „Hochbahn historisch“ anzutreffen ? Ist ein tolles Programm!
    Am 12. September 1918 wurde die Walddörferbahn eröffnet (Barmbek – Volksdorf – Ohlstedt/Großhansdorf), wenn zunächst auch nur provisorisch mit einer belgischen Dampflok (Kriegsbeute), die einen Hochbahnwagen zog. Die Walddörferbahn wird dieses Jahr also 100 Jahre alt. Wäre das nicht ein kleiner Grund für eine kleine Feier ?
    Schöne Grüße aus Volksdorf!

    1. Moin Wolfgang,
      das Besucherprogramm HOCHBAHN historisch mache ich auch, stimmt. Es freut uns natürlich, wenn das gut ankommt. Die nächsten Termine sind übrigens am 14.10 und 11.11. – mehr dazu auf unserer Website.
      Natürlich haben wir die Geschichte der Walddörfer Bahn, die ja ziemlich abwechslungsreich ist, im Blick, da fällt uns bestimmt was ein.

  3. Moin Daniel,
    vielen Dank für den Bericht zu den Anfängen der Hamburger U-Bahn. War für mich sehr informativ.

  4. Toller Beitrag, vielen Dank! Ich freue mich auf mehr davon.
    Was zeigt denn das Titelbild? Ist das eine eigens für den Hochbahn-Bau eingerichtete Baustellenhochbahn?

    1. Moin, ja, das Titelbild zeigt eine für den Bau der Ringlinie eingerichtete Schmalspurbahn, die dem Transport des Abraums diente. Zu sehen ist die Verladestelle am Hafentor im Juni 1909 nahe der späteren Haltestelle Landungsbrücken, wo der Aushub auf Schuten umgeladen wurde.

  5. Tolle Bilder, knapp und gut geschrieben mit genügend Infos. Perfekte Leselänge für meine Fahrt nach Hause 🙂

  6. Die Lösung war nicht von Anfang an die Hochbahn. Es gab zuvor eine heiße Diskussion ob in Hamburg nicht eine Schwebebahn nach Barmener Vorbild gebaut werden sollte. Die geplante Streckenführung entspricht in weiten Teilen der heutigen Ringlinie. Die Planungen waren recht weit fortgeschritten, es gab sogar schon einen Entwurf für die Station St.Pauli -Reeperbahn, der mir vorliegt. Die Diskussion zwischen dem für und wider einer Standbahn/Schwebebahn, die von Architekten geführt wurde, habe ich bislang teilweise auf meiner Website http://www.mein-altes.hamburg veröffentlicht. Letzendlich hat sich der Hamburger Senat gegen die Schwebebahn und für die Standbahn entschieden, wobei diese Entscheidung, aufgrund des Planungstandes für die Schwebebahn,wohl sehr knapp ausgefallen sein dürfte.

    1. Moin, das stimmt. Es wurden verschiedene Lösungen diskutiert, darunter auch eine Schwebebahn. Entsprechende Planungen sahen einen ringförmigen Streckenverlauf vor, ohne jedoch den Hafen ausreichend anzubinden. Zudem wurde die Bauweise als sehr materialintensiv (und damit teuer) und wenig flexibel angesehen. Insofern machte die U-Bahn als moderneres System, das zudem einfacher erweitert werden konnte, das Rennen.
      Diese Debatte habe ich aufgrund der gebotenen Kürze des Beitrags nicht dargestellt.

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