Nützt das Deutschlandticket wirklich allen? 

In nun weniger als zwei Wochen können Fahrgäste mit dem Deutschlandticket erstmals für 49 € im Monat nach Herzenslust mit Bus und Bahn durch ganz Deutschland fahren. Damit verbunden ist nach Ansicht des hvv die größte Tarifreform seit Gründung des hvv. Entsprechend groß ist die Spannung in den Communities der hvv Facebook-Seite sowie des HOCHBAHN Twitter-Kanals. Was ich dort als Social Media-Managerin aber auch immer wieder sehe: Einige scheinen die Vorfreude so gar nicht zu teilen. Schauen wir uns also einmal genauer an: Nützt das Deutschlandticket wirklich allen? Oder ist es vielleicht ungerecht?  

Für Fahrgäste wird’s ab 1.5. günstiger

Die Zahlen zum Deutschlandticket finde ich erst einmal beeindruckend: Bis zu rund 166 € im Monat sollen hvv Abonnent*innen ab Mai sparen, und das bei künftig deutschlandweiter Gültigkeit. Für Schüler*innen und Menschen, die in Hamburg Sozialhilfe beziehen, gibt es das Ticket sogar zum reduzierten Preis von 19 € im Monat. Das kommt an: 28.000 Tickets gingen im hvv seit Vorverkaufsstart an Neukund*innen über die Ladentheke, ab Mai sollen über 700.000 bisherige hvv Abo-Kund*innen profitieren. Klingt also erstmal nach einem Gewinn für die Fahrgäste.

Moment: Wirklich für alle?

Aber was ist nun mit den kritischen Kommentaren auf den Social Media-Kanälen? Wurden einige Fahrgast-Gruppen bei der Tarif-Revolution vielleicht einfach vergessen? Kurzerhand habe ich einige häufige Kritikpunkte aus den Communities gesammelt und dazu Rainer Vohl, Pressesprecher beim hvv, befragt: 

Einige Fahrgäste sagten uns, dass ihre Abos ab dem 1.5. teurer statt günstiger werden, sie die Angebotsausweitung dabei aber gar nicht nutzen möchten. Stimmt das und für wen?

Tatsächlich gibt es einige Abos im hvv (knapp 4 %), die bisher weniger als 49 € kosten. Das sind vor allem Teilzeitkarten mit Sperrzeiten, außerdem Seniorenkarten im Umland. All diesen Karten ist gemein, dass sie nur für maximal drei Zonen gültig sind. Wer weiter fahren möchte, muss eine Ergänzungskarte kaufen. Das ist beispielsweise schon dann erforderlich, wenn es von Hammerbrook nach Harburg geht (4 Zonen). Das hvv Deutschlandticket stellt also auch dann einen großen Mehrwert dar, wenn man nicht bundesweit unterwegs sein möchte: keine Sperrzeiten, keine Ergänzungskarten, einfach im ganzen hvv immer fahren ohne Nachdenken. Viele Fahrgäste haben uns immer wieder gebeten, endlich den komplizierten Tarifdschungel zu lichten. Jetzt machen wir das. Wir schaffen alle Ringe und Zonen ab. Fast alle sparen viel Geld, definitiv alle bekommen ein Ticket, das viel mehr bietet als bisher.

Für Schüler*innen, Azubis und Empfänger*innen von Sozialleistungen wird es in Hamburg zusätzliche Vergünstigungen geben. Für Senior*innen ist das bisher nicht geplant – gibt es da noch was?

Wir haben im hvv gut 55.000 Senioren-Abos. Nur etwa 1.000 davon liegen unter 49 € (konkret 32,10 €). Dieses Abo gibt es nur im Umland, man kann damit beispielsweise in Tornesch und Umgebung oder in Witzhave und Grande fahren. Alle anderen Seniorinnen und Senioren zahlen bisher zwischen 54 und 120 € für ihr Abo. Zukünftig sinkt der Preis einheitlich auf 49 €, das Abo gilt nicht nur in Hamburg AB oder im hvv, sondern bundesweit. Und natürlich gibt es den auf 30 € erhöhten Hamburger Sozialrabatt auch für Senioren-Abos. Bedeutet: 98 % der Senioren-Abos werden billiger, alle erhalten einen größeren Mehrwert. Ich finde, das kann man durchaus pauschal als Vergünstigung bezeichnen. PS: Anders als oft behauptet beinhalten sämtliche Senioren-Abos auch bisher keine Mitnahmeregelung.

Einige Fahrgäste vermissen beim Deutschlandticket die bisherige Mitnahmeregelung. Was antworten Sie ihnen?

Die Mitnahmeregelung ist in den bundesweiten Vorgaben zum Deutschlandticket ausdrücklich nicht vorgesehen. Weil wir aber wissen, dass viele Fahrgäste diese hvv-Besonderheit nicht missen möchten, haben wir extra ein Zusatzticket für die Wochenend-Mitnahme eingeführt. Dies kann man monatlich für 15 € dazu buchen. Ganz flexibel nach Bedarf, in der App oder am Automaten. Nebenbei: Durch die stark vergünstigten Schülerkarten in Hamburg (19 €, mit Sozialrabatt sogar kostenlos) wird in vielen Fällen die Mitnahmeregelung voraussichtlich überflüssig, weil die Kinder dann eine eigene Fahrkarte haben.

Menschen mit negativem Schufa-Eintrag berichten von Problemen, an ein Deutschlandticket zu kommen und die hvv Monatskarte sei als Alternative weniger günstig. Was sind die Hintergründe?

Vorweg: Das Deutschlandticket gibt es nur im Abo, das ist bundesweit einheitlich von der Bundesregierung vorgegeben. Im hvv findet keine generelle Schufa-Prüfung statt. Wer dennoch kein Abo bestellen kann, etwa, weil das Konto nicht gedeckt ist, hat mit der Monatskarte für 69 € ein Angebot, das nur weniger mehr als die Hälfte der bisherigen Monatskarte Hamburg AB kostet und im ganzen Verbund gültig ist. Auch hier gibt es zukünftig also einen erheblich größeren Gegenwert als bisher.

Ich nehme mit: Für die allermeisten Fahrgäste im hvv – und in vielen anderen Städten in Deutschland – wird der ÖPNV ab Mai sehr viel günstiger. Und doch, nicht alle Fahrgäste sparen mit dem Deutschlandticket (gleichermaßen) Geld. Profitieren können sie trotzdem: Einfach mal spontan an die Ostsee fahren oder sich beim Städte-Trip nicht erst mit dem fremden Tarifsystem vertraut machen zu müssen – das hat schon was. Und auch, wenn man die schönste Stadt der Welt gar nicht verlassen will: Wer wird den hvv Tarifplan mit den 8 Ringen schon wirklich vermissen? 😉 Und auf noch eine Weise kann ihnen das Deutschlandticket nützen:

Das Klima und Hamburg

Das Deutschlandticket soll Bürger*innen laut Bundesregierung nämlich nicht nur finanziell entlasten, es soll auch auf anderem Wege helfen: Indem es zum Klimaschutz beiträgt. Und die Erfahrungen zum 9-Euro-Ticket aus 2022 lassen hoffen, dass das Deutschlandticket hier Erfolg haben wird: 10 % der Käufer*innen verzichteten im Aktionszeitraum auf mindestens eine ihrer täglichen Autofahrten, rund 600.000 t CO2 wurden monatlich im Durchschnitt eingespart (Quelle: VDV). Und das bringt mich zu einem weiteren Punkt, der mir am Herzen liegt: Was macht es eigentlich mit unserer Stadt, wenn im Zuge des Deutschlandtickets künftig mehr und mehr Menschen ihre Pkws stehen lassen? Als Radfahrerin, die das Ticket wohl eher sporadisch in den Wintermonaten nutzen wird, freue mich jedenfalls auf freiere Straßen, weniger Verkehrslärm und einfach ein schöneres Hamburg.

Fazit 

Fairness ist natürlich immer Ansichtssache. Aber: Für die große Mehrheit der Menschen wird die Nutzung von Bus und Bahn mit dem Deutschlandticket deutlich erschwinglicher. Die Gruppe, für die es nun eine leichte Preisanpassung gibt, ist demgegenüber wirklich klein. Und mit den vielen Vereinfachungen und dem Schub, den das Deutschlandticket Klimaschutz und Mobilitätswende geben wird, kann es uns schließlich allen nützen. Auch dann, wenn wir zu denen gehören, denen es auf den ersten Blick vermeintlich weniger nützt als anderen. 

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17 Kommentare zu: Nützt das Deutschlandticket wirklich allen? 

  1. Ich hatte Profi-Card früher dafür genutzt um am Wochenende ab und zu mal mit Kinder in Hamburg unterwegs zu sein. Seit dem Deutschlandticket nutzen wir wieder mehr Auto in Hamburg. Schade, aber manchmal ist das Auto doch das günstiger.

    1. Moin Andy! Vielleicht lohnt sich für dich das hvv Ergänzungs-Ticket für die Wochenend-Mitnahme? Das kostet 15€ je Kalendermonat und berechtigt zur Mitnahme von 1 Person und 3 Kindern (6-14 Jahre) im gesamten hvv-Netz. Einfach mal in der hvv switch App schauen 😊

  2. Tolles Interview. Ich habe mir das mal angeschaut.
    „Viele Fahrgäste haben uns immer wieder gebeten, endlich den komplizierten Tarifdschungel zu lichten. Jetzt machen wir das. Wir schaffen alle Ringe und Zonen ab.“
    Auf der Internetseite des HVV gibt es bei der „Übersicht Einzel- und Tageskarten“ allein 40 unterschiedliche Fahrkarten.
    https://www.hvv.de/de/fahrkarten/einzelkarten-tageskarten/uebersicht
    Habe ich das falsch verstanden oder was wurde abgeschafft? Tarif-Revolution sieht anders aus.
    „Fast alle sparen viel Geld, definitiv alle bekommen ein Ticket, das viel mehr bietet als bisher.“
    Eine Wochenkarte kostet jetzt 29€. Die ist im HVV Gesamtnetz gültig. Wer aber nur von Barmbek nach Winterhude fährt, der war mit dem alten Preis von 19.80€ billiger.

    1. Moin! Für Fahrgäste, die nach wie vor mit Einzel- und Tageskarten unterwegs sind, gibt es inzwischen hvv Any: Damit checkst du dich vor der Fahrt kurz ein und danach wieder aus. Die App errechnet dir dann am Ende des Tages automatisch den günstigsten Tarif. Auch wenn die Zonen im Hintergrund also für einige noch existieren, musst du dir zumindest keine Gedanken mehr darum machen. Alle Infos hier.

  3. Guten Abend wie ist es ist das wirklich so das wenn mann keine schulische Ausbildung macht sondern nur eien normale Ausbildung das man das Ticket nicht vergünstigt bekommt.sondern es nur vergünstigt bekommt wenn der Chef es beantragt?

  4. Hallo, bei dem Beitrag zu den neuen Brücken habe ich vergeblich versucht zu kommentieren, daher hier:

    Vor Ort befinden sich Plakate, die auf die U3 Brücken Voßkuhlen und Stephanstraße hinweisen. Dabei handelt es sich um U1 Brücken 🙂

    1. Moin und danke für das aufmerksame Auge! Ich habe das direkt einmal zum Check an die Kolleg*innen der Fahrgastinformation weitergegeben.

  5. Liebe Nora,
    im HVV gibt es, wie bereits von Ihnen erwähnt, die Möglichkeit, dass Schüler, bzw. Senioren in Hamburg das Deutschlandticket für einen verminderten Preis bekommen.

    Allerdings gehören zum HVV auch große Teile Niedersachsens, sowie Schleswig-Holsteins.
    Ich hoffe, die beiden Bundesländer werden mit solchen Rabattaktionen folgen.
    Denn ich lebe 5km von der Hamburger Grenze entfernt und muss einen deutlich größeren Beitrag für ein Deutschlandticket zahlen, als meine Freunde, die die Schulen in Hamburg besuchen. Denn für sie lohnt sich der Besitz des Tickets sogar nur für die Freizeit.

    Ich nutze den HVV in meiner Freizeit und habe deshalb den Freizeitpass, den ich mir jeden Monat neu erwerben muss. Allerdings muss ich mich auch nach dem 1. Mai an Sperrzeiten halten, den Tarifdschungel im Auge behalten und komme nicht ein Mal in die Landeshauptstadt meines Bundeslandes, ganz geschweige denn von einigen Städten direkt hinter dem HVV-Gebiet, während Hamburger Schüler durch die ganze Republik reisen können. So sind die 8 Ringe des HVV‘s für mich leider nicht Geschichte.

    Ich meine nur, wir sind alle im HVV und mich verwundert es, warum sich Schleswig-Holstein und Niedersachsen nicht mit Hamburg geeinigt haben, einheitliche Regelungen im HVV-Gebiet zu beschließen bzw. der HVV sich nicht eingesetzt hat

    Denn ich meine, der HVV, ein Verkehrsverbund, sogar der älteste der Welt, hat doch die Aufgabe, einheitliche Regelungen und ein annähernd ähnliches Preis-Leistungs-Verhältnis zu bewirken. Denn für die Kosten, die ich für meinen Freizeitpass und den dazugehörigen Kinderfahrkarten ausgebe, können im selben Verbund gleichaltrige aus Hamburg mein Bundesland (Schleswig-Holstein) kostengünstiger und besser erkunden, als ich, der für eine Tageskarte im Nahsh-Tarif 30€ ausgeben müsste.

    1. In der hvv App wird das hvv Deutschlandticket nach Anmeldung und Kauf in der hvv switch-App auch in der hvv App unter “Tickets” angezeigt.

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