Jedes Jahr im Sommer veröffentlicht die Hochbahn das Geschäftsergebnis des vergangenen Jahres. So auch heute am 25. Juni 2018. Mit Senator, Vorstandsvorsitzendem und Finanzvorstand. Und in diesem Jahr können sie den Medienvertretern ein neues Rekordergebnis präsentieren. Die Umsätze sind gestiegen, weil im vergangenen Jahr deutlich mehr Fahrgäste mit Bussen und Bahnen gefahren sind. Insgesamt waren es fast 15 Millionen mehr. Und die Einnahmen stiegen 2017 mehr als die Ausgaben, auch wenn es keine volle Kostendeckung gibt. Der so genannte Kostendeckungsgrad liegt bei knapp 93 %. Das bedeutet, dass Hamburg in diesem Jahr ihrer Hochbahn 45 Millionen zuschießen musste. Ziemlich trockener Stoff. Da stellt sich doch die Frage, was hat das mit uns Fahrgästen zu tun?
Weshalb ist es gut für uns Fahrgäste, wenn ihr Verkehrsunternehmen wirtschaftlich erfolgreich ist? Wäre es nicht besser, einfach die Preise zu senken – vielleicht sogar auf Null? Dann würden nicht nur die Fahrgäste profitieren, sondern auch die Umwelt, weil dann doch viel mehr Menschen vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen würden. An der Stelle könnten wir uns sicher auch streiten, ob es gerechter ist, wenn der Steuerzahler mehr oder sogar alle Kosten trägt – und nicht der Fahrgast. Aber diese Diskussion will ich heute mal anderen überlassen;-) Wer trotzdem wissen will, was genau mit den Ticketgeldern passiert, kann hier mal reinschauen: Wo die Einnahmen der HOCHBAHN hin fließen.
Ich finde allerdings einen anderen Aspekt spannender: Stimmt es überhaupt, was immer so schnell behauptet wird, dass deutlich mehr Leute umsteigen würden, wenn die Ticketpreise sinken? Klar würden Fußgänger auch kürzere Strecken mit der Bahn fahren – oder auch Fahrradfahrer. Aber das ist ja nicht das Ziel, sondern eher die Autofahrer. Wenn man mal die Emotionen außen vor lässt und das Ganze mal rein sachlich betrachtet: Die Benutzung von U-Bahnen und Bussen ist doch heute schon viel billiger als mit dem eigenen Pkw. Das ist eine ziemlich einfache Rechnung. Wenn die Leute also wegen des Geldes umsteigen würden, müssten sie ihren privaten Pkw doch schon heute stehen lassen. Sie tun es aber nicht – oder noch nicht.
Die Strategie der HOCHBAHN geht in eine andere Richtung: Noch mehr Service und ein besseres Angebot im öffentlichen Nahverkehr. Zuverlässig, sicher und sauber ist das Angebot. Aber es geht noch mehr: mehr Barrierefreiheit, mehr und neuere Fahrzeuge, mehr U-Bahn-Strecken, Elektrobusse, ein einfaches Ticketsystem, mehr WLAN, mehr USB-Ladebuchsen, eine schnelle Information, falls es mal zu Störungen kommt – und zwar egal ob S-Bahn, U-Bahn oder Bus. Und wenn das mal alles nicht für mich passt, eine App mit der ich mir Alternativen suchen kann – Carsharing, Ridepooling, Bikesharing oder was auch immer.
Und genau an diesen Projekten arbeitet die Hochbahn intensiv. Aber das kostet. Nicht umsonst investierte das Unternehmen im vergangenen Jahr über 240 Millionen und schaffte seit Anfang 2017 mehr als 200 neue Arbeitsplätze. Wenn man nur das laufende Jahrzehnt nimmt, hat die Hochbahn 2 Milliarden Euro in die Flotte und die Infrastruktur des Hamburger Nahverkehrs investiert. Rund die die Hälfte, also 1 Milliarde Euro fließt in die Hamburger Wirtschaft – davon profitieren wir alle natürlich auch wieder.
Aus der Perspektive ist ein erfolgreiches Verkehrsunternehmen auch gut für die Kunden. Und dass die Kunden das auch so sehen, zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage: 91 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger sehen in der Hochbahn ein Unternehmen, das Kundenorientierung lebt. Noch vor zwei Jahren waren es 75 Prozent. Keine schlechte Entwicklung finde ich.
Und hier noch ein paar Worte des HOCHBAHN-Chefs zum Ergebnis in unseren „Drei Fragen an“.
„Aber das ist ja nicht das Ziel, sondern eher die Autofahrer“
Mein Nachbar in Dulsberg muss bisweilen zur Gegend um die U Lübecker Straße. Das sind 4 Kilometer Straße. Der Hochbahn-Preis für Hin- und Rückfahrt mit der U1 sind 6,60 Euro. 83 Cent pro Kilometer. So nutzt mein Nachbar sein Auto, das bei 40 Ct/km nur 3,20 Euro kostet. Selbst im car2go-Neuwagen inkl. allen Kosten und Daimler-Gewinnaufschlag fährt man die Strecke bei üblicher Verkehrslage für nur etwa 7 Euro.
Herr Falk sagte unlängst bei einer Veranstaltung im Rathaus im Kontext genau der von Ihnen aufgeworfenen Fragestellung, man solle ihm einen Autofahrer zeigen, der der hohen Preise wegen nicht den HVV nutze. Ich fragte mich still, ob Ihr Chef sein eigenes Tarifsystem wirklich ganz versteht. Es gibt diese Autofahrer, jedenfalls die, die rechnen können. Die vergangenen Tariferhöhugen führten zu Situationen, bei denen selbst bei Vollkostenbetrachtung das Auto billiger wird als die elektromobile Hamburger U-Bahn. Die geplanten weiteren pauschalen Preiserhöhungen ohne Änderungen an der Tarifstruktur werden logisch zwingend auf weiteren Strecken diese, um es klar zu benennen: Fehlanreize, schaffen.
Solange die Hochbahn beim Komfort zum PKW aufschließen muss, kann sie nicht die Kostenseite unter den Tisch fallen lassen, will sie Autofahrer vom ÖPNV überzeugen.
Ihr Rechenbeispiel mag in diesem Fall stimmen und sicherlich hat Ihr Nachbar auch das Glück, an der Lübecker Straße einen kostenfreien Parkplatz zu finden;-).
Sie haben aber mit dem Tarifdschungel durchaus Recht. Und das Projekt Check-In / Be-Out zielt ja auch in diese Richtung.
Das Projekt „Check-In / Be-Out“ nutzt an dieser Stelle gar nicht. Es wird dem genannten Nachbarn aus Dulsberg zwar den günstigsten Preis berechnen. Aber der liegt eben bei 6,60 im Gegensatz zu 3,20 für die Autofahrt.
Und was den Tarifdschungel betrifft, fürchte ich dass nach Einführung eines „Check-In / Be-Out“-Systems es noch schwieriger wird, die Preise vor Fahrtantritt zu vergleichen: statt allerorten Tarifaushänge einsehen zu können, wird man dann der nachträglichen Preisberechnung durch die App ausgeliefert sein.
Das Beispiel ist nur eines von Vielen. Die Ursache ist strukturell und liegt im HVV-Preissystem.
Bei 50 Ct/km Vollkosten des Autos ist das Auto bis 6,6 Kilometer Straßen-Distanz günstiger als das HVV-Ticket „Hamburg AB“ zu 3,30 €. „Hamburg AB“ wird aber schon ab dem Überschreiten der zweiten Zahlgrenze fällig; und die Zahlgrenzen liegen etwa alle 3 Kilometer. Das heißt: Wo Start und Ziel nahe an einer Zahlgrenze liegen, bepreist die HVV-Tariflogik bereits Strecken von kaum mehr als 3 Kilometern Distanz mit 3,30 €. Zwischen 6 und 6,6 Kilometern Distanz hat der HVV nahezu flächendeckend eine „Teuerzone“, in der der Hamburger ÖPNV mit dem Auto nicht mehr konkurrenzfähige Kilometerpreise von mehr als 50 Cent aufruft.
Weitere lineare Preissteigerungen ohne Änderung dieses strukturellen Fehlers werden die Teuerzone und ihre Ausläufer im 3-Kilometer-Bereich logischerweise noch vergrößern, solange der Auto-Kilometerpreis nicht gleichermaßen steigt.
Den Einwand mit „CIBO“ kann ich in diesem Kontext nicht nachvollziehen: CIBO soll, so habe ich es immer verstanden, eine neue Fassade für die alte Tariflogik sein. Ein uralter Flohmarktrechner wird nicht schlagartig zum Computer für die Anforderungen von heute, nachdem Sie ein Wochenende mit der Installation von Windows 10 verbrachten.
Mit dem Einwand zu Parkplatzkosten liegen Sie natürlich richtig. Fielen dafür Kosten an, wäre der HVV-Preis schlagartig konkurrenzfähig. In Hohenfelde gibt es aber, wie in fast ganz Hamburg, mangels Parkraumbewirtschaftung eine Vielzahl kostenfreier öffentlicher Parkplätze im Straßenraum. Die lockere Nachkriegsbebauung mit diversen privaten Stellplätzen um die Lübecker Straße herum sorgt zudem – ebenfalls nicht untypisch in Hamburg – für eine recht entspannte Parkplatzsituation.
Dass wir einen komplizierten und manchmal auch widersprüchlichen HVV-Tarif haben, habe ich an keine Stelle geleugnet. Das System ist halt in mehr als 50 Jahren gewachsen. Aber ein Tarifsystem ist eben an sich keine einfache Sache. Da gibt es z.B. einen Spagat zwischen Einfachheit und Gerechtigkeit. Aber keine Frage: Auch der HVV-Tarif muss kritisch durchleuchtet werden. Das ist aber schlicht keine einfache Sache. CIBO wird das HVV-Tarifsystem an sich nicht verändern. Es wird aber schlicht einfacher zu benutzen. Und ich persönlich bin mir auch sicher, dass CIBO ein weiterer Anlass sein wird, sich mit dem Tarifsystem zu beschäftigen.
„Es wird aber schlicht einfacher zu benutzen.“
Wir vermengen spätestens hier in der Diskussion mehrere Baustellen des Ticketings.
CIBO ist die Lösung für das Problem, dass Fahrgäste sich heute schon vor Fahrtantritt mit der historisch gewachsenen Tarifstruktur auseinander setzen müssen, obwohl sie eigentlich nur fahren möchten. Das fällt weg. Einsteigen, aussteigen, Abrechnung bekommen, fertig. Damit senkt CIBO potentiell eine relevante Nutzungshürde, gerade für Gelegenheitsfahrgäste.
CIBO ist keine Lösung für das Problem, dass der Tarif nicht leicht verständlich ist. Welche Informationen brauche ich, um zu wissen, ob eine Fahrt nun 2,20 € oder 3,30 € oder 1,60 € oder 4,30 € oder 5,40 € kostet? Es sind zuviele.
Und CIBO ist keine Lösung für das angesprochene Problem, dass der Tarif für die Beförderung einer einzigen Person auf einigen Strecken über den alternativ anfallenden Kfz-Vollkosten liegt. Der Tarif setzt damit einen Fehlanreiz. Bei aller Komplexität sollte angestrebt werden, Fehlanreize zu reduzieren. Preisanhebungen bei unveränderter Tarifstruktur bewirken das Gegenteil.
Vielleicht die ganze Antwort lesen. Wir sind doch gar nicht auseinander.
4 km ist die klassische Entfernung, wo das Fahrrad optimal ist. Insofern passt das Beispiel sehr gut zum Text, weil dort steht „Klar würden Fußgänger auch kürzere Strecken mit der Bahn fahren – oder auch Fahrradfahrer. Aber das ist ja nicht das Ziel, sondern eher die Autofahrer.“
Gerade bei Hamburger Schmuddelwetter ist die Wahl häufig zwischen ÖPNV und Auto, nicht zwischen Rad und ÖPNV. Wer zu jeder Jahreszeit gern Rad fährt, wird bei dem aktuellen Preisniveau den Hamburger ÖPNV schon aus wirtschaftlichen Gründen nur in den wenigsten Situationen in Erwägung ziehen.
4 Kilometer ist in der Tat eine gute Radfahrdistanz. Wir sollten aber nicht den Fehler machen, andere Verkehrsmittel auf diesen Strecken auszublenden. Es findet insbesondere ein Großteil des Hamburger Busverkehrs auf Strecken von sogar unter 4 Kilometern statt, und das zu Bedingungen, bei denen der Bus gegen das Fahrrad eigentlich nicht anstinken kann: Der Hamburger Busverkehr ist wenig komfortabel (Stehbusse mit nur mehr 20-30 Sitzplätzen, Angebot insb. außerhalb der HVZen und abseits des Metronetzes mit 20-Minuten-Takten dünn), unzuverlässig und selbst bei der Betrachtung Haltestelle-zu-Haltestelle ohne Verspätungen praktisch immer langsamer als die Fahrt per Rad zum Ziel der Busfahrt. Die Busse werden trotzdem intensiv genutzt.