Seitenwechsel: tausche Büro gegen Blaumann – Tag 1 Schlosserei

Vor mir liegt eine spannende Woche: bis Freitag werde ich nämlich nicht wie üblich im Büro hinter dem Schreibtisch sitzen, sondern stattdessen in den U-Bahn-Werkstätten kräftig mit anpacken. Schließlich schreibt es sich zwar leicht von den hunderten Kolleginnen und Kollegen, die hinter den Kulissen dafür sorgen, dass Hamburgs U-Bahnen laufen, wirklich zu erleben, was es heißt, handwerklich hart in der Werkstatt zu arbeiten, geht nur live vor Ort. Und weil es da eben so viel zu entdecken, fotografieren, fragen und zum drüber Schreiben gibt, gibt’s hier auf dem Blog jeden Tag meinen Bericht zum Tag. Und am Ende ja vielleicht auch den ein oder anderen, der Lust bekommt selbst Teil unserer großen HOCHBAHN-Familie zu werden?
Lasst euch überraschen – genauso wie ich 😉

Tag 1 beginnt für mich ungewohnt früh. Es ist 5:50 Uhr als der Wecker klingelt. Draußen ist es noch dunkel und still. Ich bin hundemüde, weil es mir wider meines Vorsatzes nicht gelungen ist, früh genug ins Bett zu gehen. Memo an mich selbst: Heute Abend muss das besser klappen! Die Arbeitskleidung, die ich für die Woche bekommen habe, habe ich schon gestern in meinen Rucksack geworfen. Also nur schnell anziehen und los. Um 6:15 Uhr springe ich noch schnell in die Bahn, die schon am Bahnsteig steht. Glück gehabt, eine Minute später und ich hätte in der Kälte warten müssen. In Barmbek steige ich um und fahre die letzte Station zur Saarlandstraße, wo die Hauptwerkstatt der HOCHBAHN ist.

Morgen

Und los geht’s mit dem Seitenwechsel: Am Pförtner vorbei geht es zum Werkstattleiter Hartmut. In Latzhose und Hochbahn-Pulli stapfe ich mit meinen ungewohnt schweren Sicherheitsschuhen zu Hartmut ins Büro mit bestem Blick über die Haupthalle der Werkstatt– verabredet sind wir zwar erst um 7 Uhr, ich bin trotzdem schon eine Viertelstunde eher da.

Wo ich mich gerade noch wie DER Frühaufsteher und Streber schlechthin fühlte, wird in der Haupthalle längst fleißig gearbeitet. Ich frage mich, seit wann die Kollegen wohl schon da sind und hege die tiefste Bewunderung bei dem Gedanken daran, wann sie dann wohl aufgestanden sein müssen.

Chef Hartmut heißt mich willkommen und erklärt mir den „Fahrplan“ für den Tag: heute geht es in die Schlosserei. Dort werden nahezu alle mechanischen Kleinteile, die es bei der U-Bahn so gibt instand gesetzt und repariert. Vom Ventilator, über den defekten Fahrersitz oder dem Stromabnehmer – alles landet hier bei den Jungs im ersten Stock.

Schlosserei

Heute sind sie zu fünft und jeder hat an einer eigenen Werkbank sein eigenes „Projekt“.
Ich darf heute mit Thorsten zusammenarbeiten, der Stromabnehmer auseinander und wieder neu zusammenbaut. Die sind an beiden Seiten außen an den Drehgestellen jeder U-Bahn angebracht und verbinden das Fahrzeug mit der Stromschiene. Der Strom wird dabei vom sogenannten Schleifschuh von der Schiene auf das Fahrzeug übertragen. Ein ganz schön schweres Teil, wie ich fest stelle, als ich es später anbaue.

Um diese Stromabnehmer bequem auseinander bauen und reparieren zu können, werden sie von den Kollegen in den Wagenhallen von der U-Bahn abmontiert und quasi ganz bequem in die Schlosserei geliefert. Die Kollegen hier arbeiten also an ausgebauten Einzelteilen und nicht an der U-Bahn an sich. Und für die Arbeit hier braucht es vor allem zwei Dinge: Geduld und Geschick. Denn so ein Stromabnehmer besteht aus ziemlich vielen (auch mal winzig kleinen) Einzelteilen.

Stromabnehmer, wie ihn Thorsten zusammengebaut hat

Gott sei Dank zeigt mir Thorsten erst einmal, wie es am Ende aussehen soll und gibt mir dann noch eine idiotensichere Anleitung, in der ich jede einzelne Schraube, Mutter und Unterlegscheibe, die ich brauche nachschauen kann.

Baupläne

In diesem Zauberbuch hat jeder Schraubentyp eine eigene Nummer und in der Schublade darunter sind sie ordentlich aufgereiht in Kästchen direkt griffbereit.

Organisation

Während Thorsten schon fleißig schraubt, hadere ich noch mit meinen Händen, bekomme es aber mit minimalster Unterstützung hin, dass mein Stromabnehmer am Ende zumindest optisch genauso aussieht wie der vom Profi. Meine Hände (zum Glück in Handschuhen) sind schmutzig, aber alle Finger sind noch dran.

Das Zusammenbauen von vier Stromabnehmern hat dann doch erstaunlich lange gedauert. Bevor wir die „neuen“ Stromabnehmer dann aber zurück ins Lager oder zu den Kollegen an den Zügen geben, prüfen wir sie noch an einer Prüfvorrichtung. Mit Erleichterung stelle ich fest, dass jede meiner Schrauben fest und alles am rechten Platz ist – der Stromabnehmer hebt und senkt sich und ist wieder einsatzbereit.

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Eh ich mich versehe, endet damit auch schon mein erster Tag. Mir tut ein wenig der Rücken weh vom langen Stehen an der Werkbank und auch die Handbewegungen mit Schraubenschlüssel und „Knarre“ (Nein, nicht die Waffe) sind ungewohnt für meine ungeübten Hände. Ich stelle mich auf Muskelkater im Handgelenk ein und nehme mir für morgen fest ein paar Dinge vor:

  • die verwendeten Werkzeuge von heute auch morgen fachmännisch wiedererkennen und nutzen
  • unbedingt Frühstück vorbereiten (hier frühstücken sie morgens nämlich immer gemeinsam)
  • weiterhin nichts kaputt machen 😉

Zum Abschluss des ersten Werkstatt-Arbeitstages dann auch ein wirklich schönes Aspekt des frühen Aufstehens. Ich habe im Vergleich zu sonst auch viel früher Feierabend und genieße den Sonnenschein als ich langsam Richtung Heimat spaziere.

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Morgen geht’s dann weiter an den U-Bahn-Wagen und wer weiß, vielleicht baue ich dann ja den heute reparierten Stromabnehmer wieder an die U-Bahn dran…


Tag 2 an den Wagenkästen des DT3
Tag 3 in der der Drehgestellmontage
Tag 4 in der Elektro-Werkstatt
Tag 5 in der Betriebswerkstatt Farmsen

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