Anfang des 20. Jahrhunderts wird der Bau der ersten U-Bahn in Hamburg geplant, und ab 1906 in einer sich stark verändernden Stadt gebaut. Seitdem wächst das U-Bahn-Netz mit und für Hamburg. An den Haltestellen Sengelmannstraße, Steinfurther Allee und Mümmelmannsberg wird deutlich, wie sich städtische Quartiere verändern und Erweiterungen oder Ergänzungen des U-Bahn-Netzes sie besser erreichbar machen. Ein Blick auf drei Haltestellen-Jubiläen.
Der U-Bahn-Bau ist in Hamburg untrennbar mit Veränderungen in der Stadt verbunden. Als die dicht an dicht bebauten und eng bewohnten Gängeviertel in der Alt- und Neustadt abgerissen werden, um Platz für die Speicherstadt und Hafenerweiterungen zu schaffen, verlagern sich die Wohngebiete an den Stadtrand. Barmbek und Eimsbüttel werden zu klassischen Arbeitervierteln, allerdings weit weg vom Hafen als dem wirtschaftlichen Zentrum. Mit der U-Bahn als modernem Verkehrsmittel werden die großen Distanzen innerhalb der sich ausdehnenden Stadt schnell und verlässlich überbrückt – Arbeiten und Wohnen rücken wieder näher zusammen.
Von Anfang an sind von der Ringlinie abzweigende Strecken in andere Stadtteile vorgesehen. So laufen die Bauarbeiten für die Anbindung von Eimsbüttel (die Endhaltestelle Hellkamp wird am 23. Mai 1914 eröffnet) und Rothenburgsort (Inbetriebnahme der Strecke am 27. Juli 1915) schon, als auf der Ringlinie ab Februar 1912 das U-Bahn-Zeitalter beginnt.
Und auch an der Strecke nach Ohlsdorf wird schon gebaut. Diese führt quasi ins Grüne, zumal in Ohlsdorf seit 1877 der größte Parkfriedhof Europas öffentlich zugänglich ist und gerne als Naherholungsgebiet genutzt wird. In den nächsten Jahrzehnten verdichtet sich die Bebauung zwar, doch bleibt noch immer viel Grün übrig.
Die Bürostadt im Grünen
Und genau das weckt Begehrlichkeiten, als im Zuge der Neuplanung der Innenstadt die Idee aufkommt, eine eigene Bürostadt zu schaffen. So sollen die Bereiche Arbeiten und Wohnen in der Stadt getrennt und die Innenstadt von hohen Bürobauten verschont werden. Damit ist der gedankliche Grundstein für die City Nord gelegt. Bis Mitte der 1970er Jahre entstehen Bürokomplexe und Platz für insgesamt 20.000 Arbeitsplätze. Verkehrlich ist die City Nord den damaligen stadtplanerischen Leitlinien folgend fast komplett auf den Individualverkehr ausgerichtet. Nur einige Bushaltestellen und die Schnellbahn-Station Rübenkamp bieten zunächst Anschluss an den ÖPNV. Eine fußläufig gut erreichbare Haltestelle fehlt jedoch.
Eingebaut: Die (Umsteige)Haltestelle Sengelmannstraße
Das ändert sich, als nach zwei Jahren Bauzeit die U-Bahn-Haltestelle Sengelmannstraße am 26. September 1975 eröffnet wird. Sie ist in die bestehende Strecke integriert und bietet nicht nur einen zentralen Zugang zur City Nord, sondern auch zu den Alsterdorfer Anstalten und dem umliegenden Wohngebiet – also eine durchaus bedarfsgerechte Ergänzung der U1.
Doch es ist noch mehr geplant: Am zweiten Mittelbahnsteig soll eine U-Bahn als Querverbindung von der City Nord über Altona bis nach Lurup ankommen. Über die (weit fortgeschrittenen) Planungen kommt die damalige U-Bahn aufgrund der Ölkrise 1973 und der darauffolgenden Wirtschaftskrise nicht hinaus. Übrig bleibt lediglich ein ungenutzter Bahnsteig an der Sengelmannstraße, der jetzt aufgrund der Planungen zum Bau der U5 aus dem jahrzehntelangem Dornröschenschlaf erwacht. Hier soll ein bahnsteiggleicher Umstieg zwischen U5 und U1 realisiert werden.
Das 45-jährige Jubiläum der Sengelmannstraße bietet deshalb nicht nur den Blick zurück auf die Entstehung und Idee hinter der City Nord. Es zeigt auch, wie hilfreich bedarfsorientierte Netzergänzungen sind und, dass der Netzausbau der U-Bahn ein wesentlicher Teil städtischen Lebens ist.
Die Wohnstadt im Grünen
Ähnliches wird bei den beiden anderen Jubilaren, den Haltestellen Steinfurther Allee und Mümmelmannsberg, deutlich, die beide am 29. September 1990 eröffnet wurden, also ihr 30-jähriges Jubiläum quasi doppelt feiern können. Fast zeitgleich mit der City Nord entstehen in Hamburg sogenannte Großwohnsiedlungen am Osdorfer Born, in Steilshoop und Mümmelmannsberg. Der stadtplanerischen Leitidee der Trennung der Funktionsbereiche Wohnen und Arbeiten folgend, sind sie das logische Gegenstück zur Bürostadt. Diese suburbanen Zentren bieten neben Wohnungen alles, was man zum Leben so braucht, Supermärkte, Schulen, Kitas und Ärzte. Verlassen muss man sie also nur zum Arbeiten, etwa in der Innenstadt oder der City Nord. Natürlich tut man das im Sinne der Zeit mit dem eigenen Auto. Alle Großsiedlungen werden deshalb von vorn herein ohne Schnellbahn-Anschluss geplant und gebaut. So auch die zwischen 1970 und 1979 gebaute Siedlung Mümmelmannsberg mit ihren 7.200 Wohnungen, die dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert.
Zeitgemäß angebunden: Die U-Bahn in Mümmelmannsberg
Erst als ökologische Aspekte in allen gesellschaftlichen Bereichen stärker bewertet werden und damit die Abkehr von der völligen Dominanz des Automobils in der Stadtplanung beginnt, werden erste Überlegungen für einen U-Bahn-Anschluss Mümmelmannsbergs angestellt. Dann allerdings geht es schnell: 1983 startet das Planfeststellungsverfahren, am 20. Juni 1984 erfolgt der erste Spatenstich für den 2,9 km langen Netzausbau und ab 1987 werden die beiden Tunnelhaltestellen gebaut. Steinfurter Allee entsteht nach den Plänen des Architektenbüros Kahl + Hoyer als optisch eher schlicht-funktionales Bauwerk mit P+R-Anlage für Pendler und einer Busumsteigeanlage mit Verbindungen in das östliche Umland. Mümmelmannsberg hingegen besticht durch seine von den Architekten Tim Orth und Hille v. Seggern konzipierte postmoderne Gestaltung mit konträrer Farbgebung in Gold und Lila.
Mit der Inbetriebnahme der Strecke am 29. September 1990 haben nun fast 24.000 Menschen in der Siedlung Mümmelmannsberg (immerhin fast ein Drittel der Bevölkerung Billstedts) und 6.000 im weiteren Einzugsgebiet einen direkten U-Bahn-Anschluss. Wie notwendig diese Netzerweiterung ist, zeigt sich nicht zuletzt an den mehr als 17.000 Fahrgästen, die hier täglich unterwegs sind. Mümmelmannsberg ist die erste und bislang einzige Großwohnsiedlung, die an das U-Bahn-Netz angeschlossen ist. Mit der geplanten U5-Haltestelle in Steilshoop wird sich das künftig ändern. Und auch für Osdorf laufen die Planungen für eine S-Bahn-Anbindung.
Alle drei Jubiläums-Haltestellen haben nicht nur die völlig auf den Individualverkehr ausgerichtete Stadtplanung ihrer Umgebung gemein. Es zeigt sich auch, dass diese Ideen der 1960er und 1970er Jahre später mit Neubauten im Bestandsnetz oder Netzausbau sinnvoll ergänzt werden können. Und letztlich ist das der Kern einer U-Bahn: Ihr Netz wächst zusammen mit der sich auch stetig verändernden Stadt, orientiert an den Bedürfnissen der Bevölkerung. Von einem am Bedarf ausgerichteten und modernen U-Bahn-Netz profitieren die Hamburgerinnen und Hamburger schließlich direkt, das war 1912 bei Inbetriebnahme der Ringlinie nicht anders als bei der U4 in die HafenCity oder heute beim Bau der U5.
Ich war zwar bei der Eröffnung vom Bahnhof Mümmelmannsberg nicht dabei aber die Haltestelle ist heute noch gut im ursprünglichen Zustand erhalten und ist für mich einer der schönsten U-Bahn Stationen in Hamburg, gefolgt von Hamburg Airport und HafenCity Universität. Aber ich vermisse echt die Schilder in Caps Lock Schrift wie bei Sengelmannstrasse, (zweites Bild) schade, dass die ersetzt wurden. Mümmelmannsberg hat die zum glück noch.
Schön, dass an den dreifachen Geburtstag gedacht wurde!
Ich glaube, das Tippfehlerteufelchen hat bei „Tim Orth“ zweimal zugeschlagen. Laut „Stationen Hamburger Archtiektur“ ist „Timm Ohrt“ der korrekte Name.
Moin,
vielen Dank für den Hinweis, korrekt ist in der Tat Timm Ohrt.
Mümmelmannsbergt war 1990 schon was besonderes. Sie war die erste neugebaute unterirdische Haltestelle ohne Säulen auf dem Bahnsteig (bzw. zwischen den Gleisen bei Haltestellen mit Seitenbahnsteigen) – und die Decke war so viel höher!
Die Strecke nach Niendorf Nord war dann etwas entäuschend – Joachim-Mähl-Straße und Schippelsweg noch ganz ansprechend für kleine Haltestellen, aber Niendorf Nord selbst war sehr konventionell.
Seitdem sieht es aber eigentlich ganz gut aus – Flughafen und Norderstedt Mitte sind meiner Meinung nach gut gelungen, und bei den Haltestellen der HafenCity-Strecke ist sowieso klar dass da auf die Architektur sehr viel wert gelegt wurde.