Billstedt – Immer im Zentrum, immer in Bewegung

Das am östlichen Rand Hamburgs gelegene Billstedt war vielen Veränderungen unterworfen, politisch, baulich und strukturell. Und gerade wegen seiner dezentralen Lage, rückte der Stadtteil immer wieder ins Zentrum stadtplanerischer Überlegungen. Mittendrin: Die Hochbahn, die erst mit Straßenbahnen und Bussen und dann mit der U-Bahn für gute Verbindungen sorgte, machte Billstedt damit auch für mich zu einem kleinen Abenteuer.


Oma zog noch ins Grüne

Als meine Großmutter in den 1950er Jahren nach Billstedt  zog, wurde auf der einen Seite gerade die alte Kiesgrube mit Trümmerschutt aus der Innenstadt verfüllt und auf der anderen, so erzählte sie, konnte man in der Nähe noch Kühe grasen sehen und echte Landluft schnuppern. Doch die Erschließung mit einer Mischbebauung aus Mehrfamilien-, Einzel- und Reihenhäusern und damit die dichtere Besiedlung des Gebiets hatte begonnen.

Wollte man in die Stadt, ging´s mit der Autobuslinie G von Boberg über Kirchsteinbek in 14 Minuten nach Billstedt und von dort aus weiter mit der Straßenbahnlinie 16 in die Innenstadt, nach 20 Minuten war man am Hauptbahnhof.


Fahrplan der Buslinie G, 1949.

Als die Bevölkerung weiter wuchs und klar wurde, dass die Straßenbahn im Verkehrskonzept der Stadt Hamburg keinen Platz mehr hatte, begannen Planungen für den U-Bahn-Bau.

Ende der 1960er Jahre rückten die Bautrupps an, verlegten Gleise, installierten Technik und bauten die neue U-Bahn-Haltestelle halb offen in einen Einschnitt. Oben drüber, direkt von den beiden Mittelbahnsteigen erreichbar lag die Busumsteigeanlage, wo 12 Buslinien für die Fahrgäste bereitstanden. Nur zwei der insgesamt vier Gleise wurden allerdings für den Linienverkehr auf der damaligen U3 genutzt. Die anderen beiden dienten dem Ein- und Aussetzen von U-Bahn-Zügen über die hinter der Haltestelle gelegene Kehranlage.

Nicht nur für die Billstedter war die Haltestelle ein wichtiger Baustein in der ÖPNV-Versorgung. Auch Pendler aus dem nahen Kreis Stormarn stiegen hier zahlreich in die U-Bahn um, die sie schnell und verlässlich in nur 12 Minuten in die Innenstadt brachte. Selbst an diejenigen, die erstmal nicht direkt weiterfahren wollten, war gedacht. Denn in unmittelbarer Nähe der Haltestelle lud das neue Einkaufszentrum zum Shoppen ein und Billstedt hatte mit der gesamten Anlage ein kleines aber modernes Zentrum bekommen.


Das neue Einkaufszentrum Billstedter Platz, 1969. Eigentlich sollte die Haltestelle ebenso heißen, letztlich blieb es beim Namen Billstedt.

Eröffnung vor 50 Jahren

Ab dem 28.9.1969 wurde die 75. U-Bahn-Haltestelle dann auch fahrplanmäßig angefahren. Endhaltestelle im damals gut 83 Kilometer umfassenden U-Bahn-Netz Hamburgs blieb Billstedt aber nicht lange. Denn parallel war schon an der Verlängerung bis zur Merkenstraße gebaut worden. Die Eröffnung der Haltestelle am 31.5.1970 verstärkte auch den Anschluss des bisherigen Billstedts an den öffentlichen Nahverkehr.


Die Bahnsteigebene der Haltestelle Billstedt, 1969.

Billstedt wächst weiter – zunächst ohne U-Bahn

Allerdings wuchs der Stadtteil schnell weiter, denn noch während an der Haltestelle Billstedt gebaut wurde, begannen gleich nebenan die Vorarbeiten an einem der größten Bauprojekte Hamburgs: Mümmelmannsberg.  Hier war neben Osdorfer Born und Steilshoop die dritte Großwohnsiedlung, geplant nach dem Prinzip „Urbanität durch Dichte“: Enge Bebauung und große Gebäudehöhen sorgten für eine optimale Nutzung der Fläche für eine höchstmögliche Anzahl von Wohnungen.

So entstanden zwischen 1970 und 1979 im Osten Billstedts 7.200 Wohnungen für etwa 24.000 Bewohner. Dazu wurde eine Versorgungsinfrastruktur geschaffen, die alles bereit hielt, was man zum täglichen Leben brauchte: Schulen, Kindergärten, ärztliche Versorgung, Kirchen sowie Einkaufsmöglichkeiten. Und: Parkplätze. Denn die Siedlung war als Teil der „autogerechten Stadt“ bewusst ohne Schnellbahnanschluss geplant worden. Der Weg zur Arbeit sollte, so die Idee der Stadtplaner, „individuell“, also mit dem eigenen PKW zurückgelegt werden, was eine vernünftige ÖPNV-Anbindung aus damaliger Sicht von vornherein überflüssig machte.


Die Haltestelle Billstedt mit Kehranlage um 1970.

So dauerte es tatsächlich eine Weile, bis diese stadtplanerische Fehleinschätzung korrigiert und der Bau weiterer U-Bahn-Haltestellen in Angriff genommen wurde. Als am 29.9.1990 die beiden Haltestellen Steinfurther Allee und Mümmelmannsberg fahrplanmäßig in Betrieb gingen, war damit auch ganz Billstedt an das U-Bahn-Netz angeschlossen.

Naturgemäß erhielt die Haltestelle Billstedt im Laufe der Jahre so manche Frischzellenkur, um für die Fahrgäste weiterhin bequem nutzbar zu sein. Anfang der 1990er Jahre wurde die Haltestelle umfassend saniert und umgestaltet und zehn Jahre später die Bahnsteige teilerhöht. Als die Busumsteigeanlage zwischen 2007 und 2011 modernisiert wurde, ging man auch in den Ebenen darunter ans Werk und sanierte die U-Bahn-Haltestelle mit. Dabei wurde auch gleich alles für den Linientausch vorbereitet durch den seit 2009 hier die Linie U2 fährt, später ergänzt durch die U4, für eine dichtere Zugfolge und damit schnellere Verbindungen in Richtung City.


Das Abenteuer Billstedt

Für mich begann das Abenteuer Billstedt nicht gleich 1969, logisch. Aber ungefähr mit fünf Jahren habe ich mich alleine mit der U-Bahn aufgemacht, um quer durch die Stadt zu fahren. Da gab es natürlich schon während der Fahrt viel zu gucken und zu entdecken. Der Bäcker bei Oma um die Ecke hatte Bonbons und Opa ab und an eine Cola.

Das Beste wartete also nach einem kleinen Fußmarsch von der Haltestelle aus in Billstedt zumal aus der alten Kiesgrube inzwischen der Öjendorfer Park gewachsen war, ideal zum Spielen und Fahrradfahren. Insofern denke ich gerne an das U-Bahn-Fahren nach Billstedt zurück.


Die Zukunft gleich mitgedacht

Praktischerweise hatten die Planer beim Bau der Haltestelle gleich in die Zukunft gedacht und die Anlage großzügiger dimensioniert, um  in Billstedt auf mögliche Netzerweiterungen vorbereitet zu sein. Was damals nicht klappte, kommt uns jetzt zugute. Steigende Fahrgastzahlen und der aktuelle Netzausbau machen eine Aufstockung des U-Bahn-Fuhrparks ebenso nötig wie die Erweiterung der technischen Infrastruktur.

Für den Bau einer neuen Betriebswerkstatt griff die HOCHBAHN daher gerne zu und nutzte die über Jahrzehnte brach liegenden Flächen. Zwischen den Haltestellen Legienstraße und Billstedt entsteht gerade die dritte U-Bahn-Werkstatt. Die vier Gleise umfassende Halle schafft so die notwendige technische Infrastruktur, damit die U-Bahn auch weiterhin ihre zentrale Rolle als Mobilisierer für weiteres Stadtwachstum in den vom Senat identifizierten Fokusräumen Billstedt und Horn modern und zeitgemäß übernehmen kann.


U-Bahn-Werkstatt Billstedt
So soll die U-Bahn-Werkstatt in Billstedt nach ihrer Fertigstellung einmal aussehen.

PS: Das Titelbild zeigt die Haltestelle Billstedt um 1970.

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7 Kommentare zu: Billstedt – Immer im Zentrum, immer in Bewegung

  1. Als gebürtige Billstedterin und in Mümmel aufgewachsen, zur Schule gegangen und die Ausbildung gemacht, fand ich den Text wirklich schön. Lebe seit 18 Jahren in NRW und sehne mich nach dem alten Billstedt Center zurück.
    Die Bauarbeiten der U3 in Mümmel, hatte ich sehe nah miterlebt, da ich im Bienenbusch gewohnt hatte und in den Ferien wurde ich von dem stemmen der Metallpfosten geweckt…

  2. Eine Bemerkung zur Haltestelle Merkenstraße, die ja recht lange Endhaltestelle war:

    Wie in einer Newsgroup des Usenet diskutiert wurde und auch im Wikipedia-Artikel zur Haltestelle bemerkt (Zitat aus dem Artikel):

    „Trivia
    Im Jahre 1974 wurden in der Haltestelle Merkenstraße Szenen des Films „Die Akte Odessa“ gedreht. Dieser Film spielt im Jahre 1963 – 7 Jahre bevor die Haltestelle eröffnet wurde.“

  3. Ich beobachte die Bauarbeiten an der U-Bahn-Betriebswerkstatt, sieht schon fast fertig aus. Ich selber lebe in Billstedt im Ortsteil Öjendorf. Wann wird die U-Bahn-Betriebswerkstatt eröffnet d.h. in Betrieb genommen bzw. eingeweiht werden? Wie sieht es jetzt mit dem Baurecht für die U4 Horner Geest aus und gibt es schon einen Termin für den ersten Spatenstich?

    Gruß
    Joachim

    1. Die U-Bahn-Werkstatt soll Anfang 2020 eröffnet werden. Derzeit laufen noch die technischen Ausbauarbeiten. Bei der U4 Horner Geest erwarten wir den Planfeststellungsbeschluss. Ob der noch in diesem Jahr kommt, können wir nicht sagen. Danach richtet sich dann auch der Baubeginn für das Projekt.

  4. Moin aus Hamm-nord,
    eine U-Bahn nach Mümmelmannsberg, damals auch gerne Bunny hill genannt, war sehr wohl von Anbeginn geplant…
    Sie sollte im Bereich der Haltestelle Legienstraße ausgefädelt werden und später nach Lohbrügge weitergeführt werden.
    Der Ast nach Merkenstraße sollte in Glinde sein Ende finden.
    Diese Planungen wurden Mitte der siebziger Jahre auf Eis gelegt und später dann in vereinfachter Form ausgeführt.

    1. Ich lebe in Öjendorf. Es ist nicht ganz richtig, die U-Bahn sollte östlich kurz nach der Haltestelle Billstedt im offenen Einschhnitt auf der Strecke Richtung Merkenstrasse über Kirchsteinbek nach Mümmelmannsberg ausfädeln und die Haltestelle Billstedt ist schon als Bauvorleistung für eine Ausfädelungsbahnhof gebaut worden, hat deswegen zwei Mittelbahnsteige. Die von Dir gemeinte Stelle war schon viel früher für den Bau der Betriebswerkstatt freigehalten worden, die Hochbahn hat die alten Pläne für die Betriebswwrkstatt aus der Schublade geholt und erneuert bzw. „modernisiert“ d. h. überarbeitet und auf den neuesten technischen Stand gebracht.

      Gruß
      Joachim

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