Die HOCHBAHN und ihre Mitarbeitenden waren vom Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen direkt und persönlich betroffen. Gleichzeitig wurde das Verkehrsunternehmen im „Dritten Reich“ schnell „gleichgeschaltet“ und war so Teil des Regimes, einschließlich der Beschäftigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern. Das lange gepflegte Narrativ, aufgrund der Schäden im Netz nur Kriegsopfer zu sein, greift also zu kurz. Eine Annährung anlässlich des 80. Jahrestages der Operation Gomorrah und des Feuersturms vom Juli 1943.
Hamburg war im „Dritten Reich“ nicht nur der größte Hafen Deutschlands mit bedeutender Industrie, sondern auch der wichtigste Militärstandort des Wehrkreises X. An Elbe und Alster kamen die wirtschaftliche Relevanz und die militärische Infrastruktur zusammen. Entsprechend hoch war die strategische Bedeutung und Vorkehrungen zum Schutz vor Luftangriffen wurden in vielen Unternehmen und im Stadtbild immer sichtbarer, nicht zuletzt durch den Bau vieler Bunker.
Die HOCHBAHN selbst war rasch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten „gleichgeschaltet“ worden und hatte sich personell und strukturell dem NS-Regime angepasst. Die langjährigen Vorstände waren gegen regimetreue ausgetauscht worden, leitende Mitarbeitende sowie Beschäftigte aus dem Fahrdienst und den Werkstätten wurden durch NSDAP-Mitglieder und NS-Funktionäre ersetzt. Mehr als 250 Mitarbeitende, die der SPD oder KPD nahestanden, oder nur verdächtig waren, dem Regime nicht offen gegenüberzustehen, wurden entlassen. Und nicht zuletzt war die neu eingeführte Mitarbeiterzeitschrift „Stirn und Faust“ ein Instrument, das unverhohlen ideologische, rassistische und antisemitische NS-Propaganda verbreitete. Der Angriffskrieg des Deutschen Reiches gegen Polen, der am 1. September 1939 den Beginn des Zweiten Weltkrieges markierte, blieb auch für die HOCHBAHN nicht folgenlos. Denn eine Vielzahl der Busse wurde für die Feldzüge beschlagnahmt und immer mehr Mitarbeitende wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Um dem dadurch entstehenden Personalmangel entgegenzuwirken, beschäftigte die HOCHBAHN ab 1941 auch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Das Unternehmen war also Teil des NS-Regimes und direkt in die Verbrechen im „Dritten Reich“ verwickelt, gleichwohl blieb es von den Kriegsfolgen nicht verschont.
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Erste Kriegseinwirkungen
Bei der HOCHBAHN, die als kriegswichtiges Unternehmen eingestuft war, wurden Vorschriften herausgegeben, wie sich die Fahrer und das Personal in den Dienst- und Haltestellen bei Luftalarm zu verhalten hätten. Dabei wurde festgelegt, dass Straßenbahnen die Fahrgäste am nächstgelegenen Bunker absetzen und dann außerhalb der Innenstadt abgestellt werden sollten. U-Bahnen wiederum sollten möglichst in Tunnel gefahren werden. Auf Betriebshöfen sollten Fahrzeuge allerdings nicht abgestellt werden, um Ansammlungen dort und damit den potenziellen Verlust vieler Einheiten gleichzeitig zu vermeiden.
Als im Laufe des Jahres 1940 Hamburg erstmals das Ziel alliierter Bombenangriffe wurde, führte dies im Nahverkehrsnetz zunächst nur zu kleineren Schäden, die entsprechend schnell behoben wurden. Mit der Fortdauer des Zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen Ausweitung des Luftkrieges änderte sich die Lage in Hamburg allerdings allmählich. Während bei der Straßenbahn zunächst zwar viele, jedoch nur kleine Schäden verzeichnet wurden, richtete eine Sprengbombe am 9. Mai 1941 erste größere Schäden am Viadukt an den Vorsetzen zwischen den U-Bahn-Haltestellen Landungsbrücken und Baumwall an. Im Folgejahr häuften sich die schweren Treffer in HOCHBAHN-Anlagen: So wurde im Januar der Betriebshof in Barmbek beschädigt, im Mai der Tunnel der Kell-Jung-Linie in Harvestehude getroffen und im Juli erneut das Viadukt am Baumwall. Es gelang jedoch, diese Schäden schnell zu reparieren. Im Frühjahr 1943 richtete die HOCHBAHN dann einen Luftschutzdienst ein und stellte auf allen U-Bahn-Haltestellen Brandwachen auf.
Die Operation Gomorrha
Als im Februar 1942 Luftmarschall Arthur Harris den Befehl über das British Bomber Command übernahm, änderte sich auch die Strategie im Luftkrieg wesentlich: Im Vordergrund stand nun die Überlegung, mittels nächtlicher Angriffe auf Wohngebiete in Städten die Moral der Zivilbevölkerung zu schwächen. Kombiniert mit der Zerstörung von Industrieanlagen sollte das sogenannte „moral bombing“ das NS-Regime derart stark schwächen, dass die vermeintlich demoralisierte Bevölkerung es von innen stürzen würde. Dieser Strategie folgend wurde im Mai 1942 der erste Angriff gegen Köln geflogen, an dem mehr als 1 000 Bomber beteiligt waren, die binnen 90 Minuten mehr als 3 300 Häuser zerstörten, wobei 474 Menschen getötet wurden.
Unter dem Codenamen “Operation Gomorrha” – eine Anlehnung an eine Erzählung aus dem Alten Testament, in der zwei Städte am Toten Meer durch Feuer und Schwefelregen vernichtet wurden – begannen britische und amerikanische Verbände in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 schwere Luftangriffe auf Hamburg und zielten dabei zunächst hauptsächlich auf Altona, Eimsbüttel und Hoheluft. Das änderte sich in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli, als 739 britische Flugzeuge mehr als 100.000 Spreng- und Brandbomben über den dicht besiedelten Arbeitervierteln Hohenfelde, Hamm, Billbrook, Borgfelde, Rothenburgsort, Hammerbrook und dem östlichen St. Georg abwarfen. Das Kalkül: Zunächst beschädigen Sprengbomben Dächer und Wände und schaffen so für die dann folgenden Brandbomben mehr Ausbreitungsmöglichkeiten. Tatsächlich funktionierte dieser Plan zu größtmöglicher Zerstörung. In Kombination mit der wochenlang vorherrschenden Trockenheit und sommerlichen Hitze entwickelte sich am 28. Juli 1943 aus tausenden kleinen Bränden ein riesiges Flammeninferno mit Zentrum in Hammerbrook. Der Feuersturm mit Temperaturen von bis zu 1 000 Grad und orkanähnlichen Feuerwalzen wütete über fünf Stunden, Schutz gab es kaum. Tausende Menschen erstickten in Bunkern, verbrannten in Kellern, verglühten auf der Straße oder wurden von umherfliegenden Trümmern erschlagen. Zurück blieben verwüstete Stadtteile, in denen Wohnhäuser, Straßen und Infrastruktur auf einer Fläche von mehr als 250 000 m2 dem Erdboden gleichgemacht waren, ein Drittel aller Wohnhäuser war zerstört. Nach dem Feuersturm wurden die Luftangriffe bis zum 1. August auch tagsüber fortgesetzt – insgesamt starben etwa 40 000 Menschen bei der Operation Gomorrha.
Die HOCHBAHN und der Feuersturm
Einen Überblick über die während der Operation Gomorrha entstandenen Schäden konnte sich die HOCHBAHN erst nach deren Ende am 3. August 1943 verschaffen. Dieser fiel dann für das Verkehrsnetz und das Unternehmen selbst katastrophal aus: Die gesamte östliche Ringlinie war nicht mehr nutzbar, schwer beschädigt waren außerdem die Haltestellen Schlump, Sternschanze, Rathaus, Mundsburg, Wagnerstraße (heute Hamburger Straße) und der U- und S-Bahn-Knotenpunkt Barmbek. Erhebliche Schäden gab es auch auf dem Betriebshof Barmbek mit der dortigen U-Bahn-Werkstatt und den Wagenhallen. Sinnbildlich für die Zerstörungen stand das U-Bahn-Viadukt am Nagelsweg. Es war Teil der durch die am schwersten getroffenen Stadtteile führenden U-Bahn-Zweiglinie nach Rothenburgsort. Wie die Quartiere selbst, die zu 98 % zerstört waren und nur noch steinernen Trümmerwüsten glichen, war auch die hauptsächlich auf Viadukten geführte U-Bahn-Strecke total zerstört. Da in der Umgebung keine Wohnbebauung mehr vorhanden war, wurde ein Wiederaufbau, nicht zuletzt auch aus Materialmangel, nicht einmal ernsthaft erwogen. Stattdessen wurde alles noch nutzbare Material wie Schienen, Kabel und dergleichen dafür genutzt, an anderer Stelle im Netz Schäden zu reparieren. So wurde ein Teil der Schienen aus Rothenburgsort 1944 bei der Straßenbahn eingesetzt. Auch der Fahrzeugbestand der U-Bahn war erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Von den ursprünglich 400 U-Bahn-Wagen waren 100 völlig zerstört, weitere 100 waren teils schwer beschädigt worden. Bei der Reparatur musste an allen Ecken und Enden improvisiert werden, um überhaupt nutzbare Wagen zusammenflicken zu können.
Bei der Straßenbahn sah es kaum besser aus: Im gesamten Straßenbahnnetz waren an zahllosen Stellen die Fahrdrähte beschädigt oder abgerissen. Wenn sich die Reparatur doch hinzog, so konnten von den ursprünglich 188 km Fahrdraht in der Stadt bis zum März 1944 immerhin 44 km wieder genutzt werden. Hinzu kamen jedoch die Bombentreffer in den Straßen, durch die auch die Schienen zerstört waren. Die Reparatur der mehr als 90 Stellen war schwierig, erst im Oktober 1944 gab es wieder verlässliche Straßenbahnverbindungen zum Jungfernstieg, dem Rathaus und zum Hauptbahnhof. Und auch der Wagenpark war erheblich getroffen worden: Von den am 1. Juli 1943 betriebsfähigen 1 828 Straßenbahnwagen standen am 3. August nur noch 575 zur Verfügung. Busse kamen zur Unterstützung ohnehin nicht wirklich infrage, denn die meisten waren für den Kriegseinsatz beschlagnahmt worden, sodass statt der eigentlich benötigten 200 Busse nur 50 bereitstanden.
Neben den großflächigen Zerstörungen der Verkehrsinfrastruktur waren die Hochbahnerinnen und Hochbahner vom Krieg und den direkten Auswirkungen des Feuersturms unmittelbar betroffen. Zu den bis August 1943 bei der Wehrmacht getöteten 337 Hochbahnern kamen bis Kriegsende nochmals 270 in Hamburg getötete hinzu, 4 000 Mitarbeitende waren ausgebombt. Die Not und individuelle Lebenssituation führten dann dazu, dass viele der Betroffenen nicht erreichbar waren und zum Teil tagelang nicht zum Dienst erschienen. Zwar gab es Versuche, informelle Abstimmungsrunden einzuberufen und Arbeitsroutinen zu entwickeln, doch ließ sich damit kein auch nur halbwegs normaler Betriebsablauf aufbauen. Zumal das Hochbahnhaus erst durch Bombentreffer in Mitleidenschaft gezogen und im Juni 1944 durch den Einsturz des Turms der St. Jakobi Kirche in weiten Teilen zerstört wurde.
Entgegen der tatsächlichen Situation erschienen in der Mitarbeiterzeitschrift „Stirn und Faust“ Berichte über Hochbahner, die trotz der Bombenangriffe ihren Dienst nahezu vorschriftsmäßig absolvierten sowie eine Ansprache an die Mitarbeitenden, in welcher der Direktor Stanik die „Kameradschaft“ und das Durchhaltevermögen im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie und des Regimes beschwor. Wie schwierig es bei der HOCHBAHN wirklich war, ließ sich auch daran ablesen, dass von der sonst monatlich erscheinenden Mitarbeiterzeitschrift plötzlich eine Ausgabe Juli/Oktober herausgegeben wurde, gefolgt von einer für November/Dezember 1943. Selbst das propagandistische Sprachrohr der NS-Unternehmensführung war also merklich in Mitleidenschaft gezogen. Trotz der erheblichen Schäden im Netz gelang es dennoch zumindest Teile wieder in Betrieb zu nehmen. So standen bis März 1944 schon wieder 60 von ursprünglich 68 km des U-Bahn-Netzes zur Verfügung und im Oktober fuhren Straßenbahnen wieder verlässlich in die Innenstadt.
Ungeachtet der immer wieder auftretenden Stromsperren mit Betriebsunterbrechungen und zahlreichen Umleitungen und Verkürzungen bei den Straßenbahn-Linien kam der Betrieb der Verkehrsmittel der HOCHBAHN nie völlig zum Erliegen. Das trug wohl auch dazu bei, dass sich im großflächig zerstörten Hamburg ein einigermaßen strukturierter Alltag entwickelte. Dabei half auch, dass der von Adolf Hitler am 19. März 1945 erteilte, sogenannte Nero-Befehl zur völligen Zerstörung der Infrastruktur im Reichsgebiet in Hamburg nicht ausgeführt wurde und Hafenanlagen, Straßen, Brücken und nicht zuletzt die Anlagen der HOCHBAHN nicht noch weiter zerstört wurden.
Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex erfolgte dann 2010 im Zuge einer von der „Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg“ erarbeiteten wissenschaftlichen Studie zur HOCHBAHN im „Dritten Reich“. Sie erschien 2010 in der Reihe „Forum Zeitgeschichte“ (Nr. 22).