Weichen und Kehren – Wie dreht eine U-Bahn eigentlich um?

Bei der U-Bahn heißt es ja eigentlich: immer nur in eine Richtung. Auf zwei Gleisen fahren die U-Bahnen immer genau entgegengesetzt, ohne sich jemals zu begegnen. Doch irgendwann ist auch so eine U-Bahn-Strecke zu Ende und die U-Bahn muss umdrehen. Genauso ist es ja auch bei unseren Verstärkerzügen zur Hauptverkehrszeit, die immer nur auf einem bestimmten Streckenabschnitt hin und her pendeln. Wie dreht man also die U-Bahnen um und wie bekommt man sie so vom einen auf das andere Gleis?

Die Sache mit der Richtung
Einfach so die U-Bahn umdrehen geht schon mal leider nicht. Denn auf unseren überwiegend zweigleisigen Strecken gibt es eben auch größtenteils nur für eine Richtung Signaltechnik, also Ampeln und Verkehrsschilder für die U-Bahn. Würde man auf einem solchen Gleis in die falsche Richtung fahren, führe man blind, wie ein Geisterfahrer in der U-Bahn. Dann gibt es aber auch vereinzelte Abschnitte, auf denen der sogenannte Gleiswechselbetrieb möglich ist. Hier kann das Gleis in beide Richtungen befahren werden, weil es die Signaltechnik auf beiden Seiten gibt und Weichen, die den Wechsel zwischen den Gleisen möglich machen. Das kommt uns zum Beispiel bei längeren Sperrungen gelegen, weil so nicht der gesamte Betrieb lahm gelegt werden muss, funktioniert aber leider nur bei einem 10-Minuten-Takt. Nur dann ist nämlich ausreichend Zeit, damit die Züge aneinander vorbei fahren können. Das muss man sich vorstellen wie bei einer normalen Straßen-Baustelle. Die eine Seite muss an der roten Ampel warten, während die Gegenrichtung die eine offene Fahrspur benutzen kann.
Von diesem Sonderfall aber mal abgesehen, wie drehen wir denn die „normalen“ U-Bahnen nun um?

Das Geheimnis ist der Doppeltriebwagen.
Damit wird der Richtungswechsel relativ einfach. Schließlich haben unsere U-Bahnen an beiden Enden einen Fahrerraum. Dadurch können unsere Fahrerinnen und Fahrer ganz einfach in eine Endhaltestelle einfahren, die Fahrgäste raus lassen, selbst auch aussteigen, ans andere Ende der U-Bahn gehen, dort wieder einsteigen und in die andere Richtung los fahren. Nun steht die U-Bahn an der Haltestelle dann ja aber eigentlich auf dem Gleis der Gegenrichtung. Würde sie hier also einfach normal los fahren, würde sie früher oder später gegen die U-Bahn aus der anderen Richtung treffen. Weil auch Signale und Schilder fehlen, muss also schnellstmöglich der Wechsel aufs andere Gleis her.

Und dafür gibt es Weichen und Kehranlagen
Der Wechsel der U-Bahn auf ein anderes Gleis kann nämlich über zwei Wege passieren: sogenanntes Kurzkehren oder Langkehren. Beim Kurzkehren wechselt der U-Bahn-Fahrer bzw. die -Fahrerin ganz einfach den Fahrerraum, fährt los und wechselt über eine Weiche auf das richtige Gleis. Beim Langkehren dagegen geht es erst einmal in die Kehr- und Abstellanlage, wo dann der Fahrerraum gewechselt und aus der Abstellanlage heraus schon auf das richtige Gleis gefahren wird.

Zugegeben, das war schon ziemliches Spezi-Wissen, ist aber trotzdem relevant für unsere Fahrgäste. Denn von Zeit zu Zeit fragt man uns auch so etwas:

Würden wir in einem solchen Fall auf der einen Seite weiterfahren, würde zwar kurzzeitig der Betrieb in diese eine Richtung aufrecht erhalten, allerdings würden sich die Züge hinter dem kaputten in der Gegenrichtung stauen. Im Grunde also wie wenn Sie mit Ihrem Auto auf der Autobahn im Stau stehen und die letzte mögliche Abfahrt verpasst haben. Dann hätten wir nämlich ein noch viel größeres Problem: uns würden die Züge auf dem Abschnitt vor der Sperrung fehlen, weil sie ja alle hinter dem defekten Zug auf ihre Weiterfahrt warten müssten.
Da wir also den Abschnitt, auf dem nicht gefahren werden kann, so kurz wie möglich halten wollen, „kehren“ wir in beiden Richtungen jeweils davor ab, drehen unsere Züge also um. Und das geht eben nur vor oder hinter den Haltestellen, an denen Weichen oder Abstellanlagen vorhanden sind. Deshalb sperren wir oft in beide Richtungen und über mehrere Haltestellen, obwohl es technisch betrachtet nur an einer ein Problem gibt.

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10 Kommentare zu: Weichen und Kehren – Wie dreht eine U-Bahn eigentlich um?

  1. Leuchtet alles ein, aber ich verstehe trotzdem nicht, wenn es heißt, „so kurz wie möglich“, warum meistens gleich Volksdorf – Großhansdorf gesperrt wird, wenn z. B. in Kiekut ein Problem ist: Die meisten Fahrgäste wollen bis Buchenkamp oder Ahrensburg West und bis dort könnte man meiner Meinung nach problemlos fahren, weil es zwei Gleise gibt und der Zug 10 Minuten Aufenthalt vor der Rückfahrt hätte. Eigentlich müsste es sogar bis Ost gehen, aber dann hat der Fahrer wenig Zeit, um die Zugseite zu wechseln…
    Da Ersatzbverkehre auf dieser Strecke eine Ewigkeit brauchen, besteht hier noch Optimierungsbedarf.

    1. Wenn es in Kiekut ein Problem gibt, wird i.d.R. in Ahrensburg West gekehrt. Warum das in Ihrem Fall nicht so war, kann ich nicht sagen. Vielleicht gab es aber ein zweites Problem auf dem Abschnitt. In Ahrensburg Ost können wir nicht kehren, weil es dort keinen eigenen signaltechnischen Abschnitt gibt. Es gibt zwar Signale, die sind hier aber selbsttätig und können nicht von der Betriebszentrale oder dem Stellwerk gestellt werden. Sie sichern nur die Abstände zwischen den Zügen, können aber keine Gegenfahrten verhindern. Bedeutet also: Züge aus Ahrensburg Ost und West würden im schlimmsten Fall gegen einander fahren.

      1. Könnte dann nicht immer noch auf Sicht in die Gegenrichtung gefahren werden, so das z.B. wenigstens jeder 2. Zug fährt.

  2. Ist geplant, die Flexibilität der Hamburger U-Bahn die nächsten Jahre zu erhöhen? Gleiswechselbetrieb scheint in Wien auf dem ganzen Netz eingebaut zu sein. Es wundert mich, dass die Hochbahn das nicht hat. Muss deshalb in Hamburg immer der Betrieb in einem ganzen Abschnitt voll eingestellt werden, wenn z.B. ein Zug wegen eines erkrankten Fahrgasts nicht weiterfahren kann?

    1. So eine Umrüstung ist enorm teuer. Es ist ja nicht mit ein paar Kabeln und Signalen getan, sondern z.B. auch aufwendige Eingriffe in die Stellwerke nötig, um wirklich flexibel und vor allem sicher die zusätzlichen Fahrmöglichkeiten zu schaffen. Da sprechen wir schnell von etlichen Millionen Euro. Im Falle eines Rettungswageneinsatzes entscheidet unsere Betriebszentrale je nach Situation. Wenn sie abschätzen kann, dass die erkrankte Person direkt aus dem Zug gebracht werden kann, muss nicht direkt ein Kehrbetrieb eingerichtet werden. Dann werden die nachfolgenden Züge ein paar Minuten aufgehalten und die Gegenrichtung kann weiter laufen. Das bedeutet dann zwar kurzzeitig Verspätungen, legt aber eben nicht unnötig gleich alles lahm.

  3. Tolle Beschreibung des Ablaufs bei der Hochbahn. Das funktioniert ja auch im planmäßigen Betrieb. Die Unterscheidung zwischen Kurz- und Langkeren verstehe ich. Warum die Möglichkeiten im Betrieb oft nicht genutzt werden leuchtet mir nicht ein.
    Beispiel Niendorf-Markt: Aus Hamburg kommend gibt es vor dem Bahnsteig ein Gleiswechsel und hinter dem Bahnsteig eine Kehranlage. Ich habe schon mehrfach erlebt dass ein Zug aus Hamburg kommend, die Fahrgäste aussteigen läßt, der Zug in die Kehranlage fährt und sofort wieder auf das Gleis Richtung Hamburg zurückkommt. Wenn der Zug Verspätung hat drängt der Zugführer die Fahrgäste beim Aussteigen und später beim Einsteigen per Lautsprecher zur Eile. Würde der Zug bereits vor dem Bahnsteig auf das Gegengleis geleitet, könnte der Fahrgastwechsel wesentlich entspannter erfolgen.

    Geisterfahrer: Wenn geplant nur ein Gleis genutzt werden kann, so besteht immer noch die Möglichkeit die sicherheit durch einen Zugbegleiter herzustellen. Beispiel: Vor einigen Jahren hat die S-Bahn zwischen Altona und Elbgaustraße die Gleise erneuert. Der Eustausch erfolgte zeitlich versetzt in mehreren Abschnitten. In dem jeweilsbetroffenen Abschnitt wurde jeder Zug durch „einen“ Zugbegleiter abgefertigt. Nur der Zug, in dem sich der Zugbegleiter befand, durfte den Abschnitt befahren. So war der „Gegenverkehr“ auch ohne Signalsteuerung möglich. Der Zugbegleiter stellte praktisch einen „menschlichen Sicherungstoken“ dar.

    1. Planmäßige Züge in Niendorf Markt kehren tatsächlich über die Kehranlage. Selbst wenn der Fahrer keine Pause bräuchte, benötigt er mindestens zwei Minuten, um wieder in die Gegenrichtung los fahren zu können. Damit blockiert er aber das Bahnsteiggleis für den Zug, der aus Niendorf Nord Richtung Innenstadt fährt. Er muss also über die Kehranlage, um seine Vorgeschriebene Wendezeit zu bekommen, lässt den Zug aus Niendorf Nord vorbei und fährt danach selbst wieder Richtung Innenstadt. Wenn zwischen Niendorf Markt und Niendorf Nord gesperrt ist, kann vor der Haltestelle kurz gekehrt werden. Dann gibt es ja aber eben auch den Zug aus der Gegenrichtung nicht.
      Zugbegleiter wie bei der S-Bahn gibt es bei uns nicht.

      1. Bei meinem Beispiel an Niendorf Markt hatte der Zug sovoel Verspätung, dass der Gegenzug uns schon zwischen Hagendeel und Niendorf Markt begegnete. Der aus Hamburg kommende Zug fuhr, nachdem er aus der Kehranlage zurückkam bereits mit Verspätung wieder Richtung Hamburg. Beim Kurzkehren hätte er sicher (auch ohne drängeln) pünktlich abfahren können.

        Zugbegleiter: Ich ging dabei von einer temporären Lösung (nur ein paar Tage oder Wochen) aus.
        P.S. Be Youtube gibt es noch einige Videos (nicht von der Hochbahn) in denen zusehen ist, dass in der Anfangszeit der Wandsbeker Strecke (noch keine Fahrt bis Wandsbeker Markt) Zugbegleiter eingesetzt wurden. Warum sollte das heute für kurze Zeiträume und kurze Abschnitte nicht auch möglich sein?
        Beim Bau zwischen Baumwall und Rödingsmarkt wurde temporär auch Stationspersonal eingesetzt.

      2. Kann sein, dass man den Zug eventuell bei einer Verspätung hätte nehmen können. Allerdings ist es doch ein kleines bisschen komplizierter. Weichen und Signale werden automatisch gesteuert. Die Weichen „wissen“ aufgrund des hinterlegten Fahrplans, welche U-Bahn kommt und in welche Position sie „springen“ müssen. Für eine außerplanmäßige Änderung müssten wir händisch einspringen. Für die gesamte U2 und U4 haben wir aber „nur“ zwei Disponenten. Die überwachen entsprechend die beiden Linien in Gänze. Dabei können sie natürlich nicht auf jeden einzelnen Zug achten und haben zudem auch andere Aufgaben.
        Zu den Zugbegleitern: Wir haben keine Leute, die wir spontan als Zugbegleiter einsetzen können. Diese müssten ja irgendwo auf ihren temporären Einsatz „warten“. Für Veranstaltungen werden die Kollegen Wochen vorher organisiert. Sogar aus anderen Städten kommt Unterstützung. Das geht also nur im absoluten Ausnahmefall „mal eben so“.

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