Die Busse der Zukunft fahren alleine. Was im ersten Moment nach futuristischer Vision klingt, wird immer realistischer. Nachdem letzte Woche die Deutsche Bahn ihren autonom fahrenden Bus „Olli“ vorgestellt hat, habe ich mal bei unserem Chef Henrik Falk nachgefragt: Wie steht‘s denn um fahrerlose Busse für Hamburg?
7 Fragen an Hochbahn-Chef Henrik Falk:
1. Spätestens seit letzter Woche sind autonome Busse in aller Munde. Ab wann gibt’s die denn auch hier in Hamburg?
Wir arbeiten gerade mit Hochdruck dran, bis 2021 die ersten autonomen Fahrzeuge in Hamburg zu haben. Was das für Fahrzeuge sind, kann ich heute noch nicht sagen. Aber es geht noch nicht um große Stadt- und Gelenkbusse, sondern eher um Fahrzeuge, die sechs bis acht Personen befördern können.
2. Warum sind fahrerlose Busse für die HOCHBAHN überhaupt ein Thema?
Weil das Thema hoch aktuell ist. Bei einer solchen technischen Entwicklung, die gravierende Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten und das Mobilitätsangebot haben wird, müssen wir als führendes Verkehrsunternehmen von Anfang an dabei sein. Nur wenn wir mit einsteigen, können wir die Mobilität Hamburgs auch in Zukunft gestalten.
3. Sprechen wir denn bei autonomen Bussen schon von erprobten Modellen oder leisten wir auch ein Stück Pionierarbeit?
Von serienreifen autonomen Fahrzeugen sind wir sehr weit entfernt. Noch ist das Zukunftsmusik. Es ist in der Tat ein Stück weit Pionierarbeit, was wir leisten wollen. Das ist aber etwas, für das die HOCHBAHN steht. Auch im Bereich der emissionsfreien Busse arbeiten wir schon heute aktiv daran mit, bestehende Grenzen zu verschieben und neue Möglichkeiten für eine intelligente Mobilität zu schaffen.
4. Gibt’s konkrete Pläne für den Linienbetrieb oder wo fahren diese Busse dann?
Konkrete Pläne gibt es noch nicht. Wenn wir über 2021 sprechen, dann meinen wir zunächst Teststrecken, auf denen ein Pilotbetrieb installiert werden kann. Dafür muss es die Fahrzeuge geben und die Routen müssen vorbereitet werden. Aller Voraussicht nach wird es nicht um bestehende Linien gehen, sondern eher um eine Ergänzung unseres Netzes. Wo heute ein wirtschaftlicher Betrieb in den Außengebieten oder auf der „letzten Meile“ von der Schnellbahnhaltestelle bis zur Wohnung nicht machbar ist, könnte das Ridesharing, bei dem sich mehrere Fahrgäste ein Fahrzeug teilen, mit autonomen Fahrzeugen eine echte Alternative zum doch relativ teuren Taxi oder zum eigenen Pkw darstellen.
5. Autonomes Fahren: Ist das denn wirklich sicher?
Die Sicherheit ist vermutlich das wichtigste Thema und die größte Herausforderung. Deshalb muss das selbstverständlich geklärt werden, bevor wir über den Einsatz sprechen können. Ich bin aber zuversichtlich, dass genau diese Fragen in den nächsten Jahren erfolgreich beantwortet werden können.
6. Die HOCHBAHN stellt nächstes Jahr 200 BusfahrerInnen ein, sind die bei autonom fahrenden Bussen nicht überflüssig?
Die 200 Busfahrerinnen und Busfahrer, die wir im kommenden Jahr einstellen, sind Ausdruck des wachsenden öffentlichen Nahverkehrs. Das wird auch so weitergehen. Bis das autonome oder auch fahrerunterstützendes Fahren kommt, werden noch Jahre vergehen. Langfristig eine echte Chance. Wenn man Carsharing und Ridesharing auf das reduziert, was es wirklich ist, ist es öffentlicher Nahverkehr. Mehrere Personen teilen sich Fahrzeuge, die sie nicht besitzen, sondern „on demand“ nutzen. Das bieten wir seit mehr als 100 Jahren und werden es auch in veränderter Form in der digitalen Zukunft anbieten. Sicherlich werden sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren Berufsbilder verändern. Das hat es auch früher gegeben. Wichtig ist dabei, sich mit diesem Wandel frühzeitig zu beschäftigen, um Veränderungen zu antizipieren und eine darauf aufbauende Personalplanung und Personalentwicklung zu initiieren.
7. Ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse ist Ihr Ziel – wie passt das mit dem autonomem Fahren zusammen?
Gegenfrage: Können Sie sich in der Zukunft ein autonom fahrendes Fahrzeug mit Dieselmotor vorstellen? Ich nicht. Beide Entwicklungen passen perfekt zusammen, um eine Mobilität zu entwickeln, die das urbane Leben noch lebenswerter macht.
Titelbild (c) Local Motors
Für mich erschließen sich bei autonomen Omnibussen keinerlei Vorteile. Der Frage, inwieweit dadurch die Arbeitsplätze des Fahrpersonals wegfallen, wurde im Interview ja geschickt aus dem Weg gegangen, indem die Umsetzung und der wirkliche Liveeinsatz autonomer Fahrzeuge in die Zukunft geschoben wurde. Keiner kann mir jedoch erzählen, dass hier keine Arbeitsplätze wegfallen bzw. keine ersatzweise entstehen. Wo soll denn nun der Vorteil von autonomen Bussen liegen? Mitmachen zu müssen, um konkurrenzfähig zu sein, ist Unsinn. Solange die Menschen den ÖPNV nutzen (egal, ob von Menschenhand gesteuert oder nicht), gibt es da kein Problem.
Ich verstehe nicht, weshalb Millionenbeträge in diesen Unsinn investiert werden. Das Geld könnte sinnvoller eingesetzt werden.
Man muss nicht jeden Quatsch mitmachen, nur weil es gerade modern und „in“ ist. Beständigkeit, Verbesserung von Qualität und Komfort sowie bessere Tarife – das sind Dinge, in die investiert werden sollte!
Frage an Herrn Falk:
Dass sich autonome Fahrzeuge im ÖPNV nicht primär durch neu verfügbare Kleinstbusse in der Peripherie auszeichnen, ist glaube ich klar.
Aber wie genau will die Hochbahn reagieren, was ist eure Strategie?
Mit autonomen Fahrzeugen fallen zunächst zwei ganz wesentliche Vorzüge des öffentlichen Massentransports:
Erstens brauche ich für motorisierten Individualverkehr keine Fahrtauglichkeit mehr. Nach der Party betrunken nach Hause? Taxi und Bus sind nicht mehr zwingend. Selbst ein Führerschein könnte, wird überflüssig. Alte und Auszubildende, immerhin zwei der Kernnutzergruppen eures Angebotes, haben Alternativen. Ihr bekommt ernsthafte Konkurrenz. Konkurrenz mit Vorzügen, von denen euer System weit entfernt ist. Komfort beispielsweise.
Zweitens kann man fortan individuell unterwegs sein, ohne die Zeit selbst fahren zu müssen. Es ist kein Alleinstellungsmerkmal der U-Bahn mehr, auf der Fahrt zur Arbeit lesen, dösen, aus dem Fenster gucken zu können.
Kurzum: Wer von autonomen Fahrzeugen richtig profitiert, ist aus Nutzersicht der Individualverkehr.
Was ihr macht, was ihr gut könnt, ist Massentransport. Der basiert darauf, dass ihr eine größere Zahl an Menschen findet, die zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung wollen. Wenn man dort einfach nur den Fahrer irgendwann einmal wegautomatisiert und den Rest der Strukturen gleich lässt, ist was genau der Vorteil für mich als Euer Fahrgast, als Hamburger? Ein Kleinbus, der abends in Randgebieten bessere Taktungen ermöglicht? Warum sollte ich den nehmen, warten, bis ihr genügend andere Fahrgäste habt, die auch in meine Richtung wollen, also: häufig doch warten, doch Umwege mitnehmen – wo ich mir auch einfach ganz individuell per App ein autonomes Fahrzeug ordern kann, dass mich sofort direkt an mein Ziel fährt?
Die HOCHBAHN ist dabei unterschiedliche Geschäftsmodelle für den mittelfristigen Einsatz von autonomen (Klein-)Bussen zu untersuchen und auszuwerten. Einer davon ist die letzte Meile-Erschließung. Weite Teile meiner Fahrt mit dem ÖPNV lassen sich heute bereits mit den Schnellbahnen erledigen, allerdings fehlt oftmals noch der letzte entscheidende Teil bis zur oder von der eigenen Haustür.
Autonome Kleinbusse könnten eine feinere und effizientere Erschließung in Randgebieten ermöglichen. Und wir wollen dieses verbesserte Angebot gerne optimal in den ÖPNV integrieren. Zudem ist Autonomes Fahren für uns nicht aus rein technischer Sicht interessant. Wir sehen es im Zusammenhang mit dem Ridesharing. Die Kunden teilen sich die Fahrt und die damit verbundenen Kosten, die dadurch deutlich unter denen von Taxis liegen. Schließlich werden auch autonome Fahrzeuge Geld kosten. Wie wäre dann, wenn jemand für sie organisiert dass das Nutzen günstiger wird? Wir denken da an die Organisation von Fahrgemeinschaften über eine App, ganz einfach mit einem wirklichen Mehrwert für unsere Fahrgäste. Wir verstehen, dass wir, um die steigenden Erwartungen und Bedürfnisse unserer Kunden decken zu können, mehr als ein reiner Betreiber von U-Bahn und Bussen sein müssen. Deswegen arbeiten wir schon seit mehreren Jahren an Mobilitätslösungen, die den ÖPNV ergänzen und damit noch attraktiver machen. Dies erfolgt derzeit mit switchh mit der Integration vor allem der Free-Floating Carsharing-Unternehmen car2go und drivenow und schließt alle weiteren neuen Mobilitätsangebote, u.a. auch Ridesharing mit ein.
Ich denke, dass zunächst ein ganz wesentlicher Punkt der Hochbahn-Arbeit sein muss, die Vorteile des Massentransports für eine Stadt auch in Vorteile für Fahrgäste umzumünzen. Die Vorteile liegen auf der Hand: der ÖPNV geht viel effizienter mit dem Platz um, er braucht im Idealfall viel weniger Emissionen und leiser ist er auch. Alles ganz große Themen in Hamburg gerade. Für Fahrgäste zahlt sich das aber kaum aus. Viele Hamburger verzichten auch bewusst auf den ÖPNV, weil das Angebot offenbar nicht stimmt. Das sind nicht nur Randbewohner, sondern weite Teile Hamburgs. Wenn in Hoheluft oder Eimsbüttel oder Winterhude so viele Autos stehen, dass die Straßen abends wie eine Blechhalde aussehen, liegt das nicht an schlechten Verbindungen vor die Haustür. Hier ist viel mehr Potential, in dem man wirklich seine Kompetenzen ausspielen könnte. Und diese Kompetenz ist aus meiner Sicht: Stadt- und umweltverträglicher Transport.
„Weite Teile meiner Fahrt mit dem ÖPNV lassen sich heute bereits mit den Schnellbahnen erledigen, allerdings fehlt oftmals noch der letzte entscheidende Teil bis zur oder von der eigenen Haustür.“
Es ist aus meiner Sicht nicht der beste Ansatz, von der heutigen ÖPNV-Situation aus gedacht die heutigen Schwächen mit zukünftigen Entwicklungen lösen zu wollen, ohne die zukünftigen Entwicklungen vollständig zu betrachten: Warum sollte ich denn 2040 überhaupt mit dem Ridesharing zur Schnellbahn, dort umsteigen und dann noch 20 Minuten in der U-Bahn stehen, vielleicht sogar nochmal umsteigen, Einkäufe schleppen etc.? Das Ridesharing wird mich auch direkt von meiner Tür direkt an mein Ziel fahren können! Wir sind alle Hamburger und wissen, dass das in Hamburg selbst in der Innenstadt häufig vorzüglich mit dem Auto klappt.
Warum sollte ich das „kombinierte Modell“ Ridesharing/Schnellbahn nehmen? Dagegen spricht: es wird vermutlich durch den Umsteigezwang langsamer sein, es wird auch unkomfortabler sein. Was sind in der Zukunft die entscheidenden Vorteile, die die Hochbahn gegenüber dem „autonomen Individualverkehr“ hat? Das ist eine wichtige Frage, nicht?
„Schließlich werden auch autonome Fahrzeuge Geld kosten. Wie wäre dann, wenn jemand für sie organisiert dass das Nutzen günstiger wird?“
Das wäre stark. Nur: internationale Großkonzerne und Start-Ups mit Milliardenfinanzierung wie UBER haben genau die gleiche Idee. Und im Zweifel viel mehr Budget – Uber konnte sich allein letztes Jahr so viel Verlust leisten, wie die Hochbahn in drei Jahren insgesamt komplett Umsatz erzielt! – und ein Geschäftsmodell, das sich allein darauf stützt. Die müssen das hinkriegen, sonst ist der Laden zu und die Milliarden futsch. Was können Sie dagegen stellen? Die deutlich größere Kundenbasis. Gute Voraussetzung! Angebote wie Switchh zeigen aber aus meiner Sicht schon, dass bei der Hochbahn dieses Potential lange nicht genutzt wird. Dass die Kundenzahlen so weit hinter den Erwartungen blieben, liegt ja nicht nur daran, dass Sie vielleicht zu früh und mit falschen Annahmen etwas ausprobiert haben. Die Umsetzung hatte auch ihre groben Fehler: Die App krankte daran, dass gute Ideen nicht konsequent durchgedacht wurden. Beispiel: die Anzeige verschiedener Verkehrsmittel für die Strecke A-B mit der jeweils benötigten Zeit. Tolle Idee! Leider war die Anzeige unbrauchbar, weil Sie bloß theoretische Zeiten angaben. Staus, Verspätungen waren nicht vorgesehen. Jeder Hamburger weiß: die Anzeige stimmt dann einfach fast nie. Und wenn es nie stimmt, dann taugt sie nix. Lösung wäre gewesen: SIe hätten investieren müssen und die aktuelle Verkehrssituation samt Prognose im eigenen ÖPNV-Netz und auch auf der Straße integrieren müssen. Haben Sie leider nicht, die App wurde zu einem netten Front-End für zwei andere Apps, mehr nicht. Und genau so blieb Switchh auch an anderen Punkten auf halber Strecke hängen. Das Ridesharing von autonomen Fahrzeugen bräuchte neben Kunden und Wissen um eine Stadt auch viel Kompetenz im IT-Bereich für eine möglichst effiziente Allokation der Fahrzeuge (und damit niedrige Kosten) und eine möglichst einfache Bedienung der App für möglichst guten Service. Mit Verlaub, da schätze ich die Hochbahn leider nicht als DAS Hochkompetenzzentrum ein. Welches war die letzte Innovation im Digitalbereich, die maßgeblich von der Hochbahn kam?
Mit Verlaub, dass z.B. Eimsbüttel voller Autos ist, liegt doch nicht am schlechten Angebot des ÖPNV. Gerade hier sind die Menschen gut angebunden. Für alles weitere planen wir auch gerade die U5, um Erschließungslücken zu schließen und das Angebot weiter zu verbessern. Das Ziel sollte doch auch sein, die Autos aus der Innenstadt zu holen. Effektive Verkehrswege bedeuten dann doch auch künftig weniger Autos. Und natürlich gibt es UBER oder andere Großkonzerne mit viel Geld für die Organisiation von ÖPNV. Als Verkehrsunternehmen ist es uns wichtig, genau deshalb unsererseits wichtige Erkenntnisse für autonome Fahrzeuge und Carsharing zu sammeln. Wollen wir das denn ernsthaft den Großkonzernen überlassen? Zu Ihrem letzten Punkt: ja, Innovation im Digitalbereich hat es von uns bisher nicht groß gegeben. Und genau deshalb wird’s jetzt Zeit! 😉
Kleine Anmerkung:
Irgendeinen Grund muss es ja haben, dass auch die Eimsbüttler häufig ein Auto haben. Trotz – für Hamburger Verhältnisse! – guter Anbindung in andere Stadtteile, sehr guter Infrastruktur mit vielen Läden, Kulturangeboten und Arbeitsplätzen vor der Tür und dazu Parkplatzmangel ohne Ende. Wenig Gebiete könnten besser für den Umweltverbund sein. Und trotzdem sagen viele Eimsbüttler: Das ist für mich keine gute Option! Ich will ein Auto und das zahle ich auch. Wäre ich bei der Hochbahn, würde ich mir Gedanken machen, woran das liegt.
Ein Ansatz wäre für mich, dass die von dir angesprochene „gute Anbindung“ im ÖPNV selbst in Eimsbüttel großflächig nüchtern betrachtet schlecht ist. Wir haben dichtest besiedelte Gebiete wie im Quartier Goebenstraße, die ohne Schnellbahnanschluss auskommen müssen. Von da sind es bis zum nächsten U-Bahnhof über 1 Kilometer Fußweg. Die Buslinien in der Umgebug – 4 und 20/25 – sind hamburgweit bekannt notorisch unzuverlässig. Hier bringt der Hamburger ÖPNV selbst unter hervorragenden Bedingungen ein leider mangelhaftes Angebot. Ähnlich sieht es in vielen Quartieren aus. Der Hamburger ÖPNV kommt zu seiner – relativ zu Berlin, München & Co. – schwachen Nutzung und dem hohen Autoantiel nicht grundlos.