Viaduktbau an der Hoheluftbrücke um 1909 

Überragende Infrastruktur – Viaduktbau für die heutige U3 

1912 beginnt mit der Inbetriebnahme der Ringlinie – der heutigen U3 – das U-Bahn-Zeitalter in Hamburg. Möglich macht das die komplexe und technisch anspruchsvolle Infrastruktur. Während Tunnel eine neue unterirdische Verkehrsebene bilden, ragen Viadukte im wahrsten Sinne heraus. Immer wieder werden die Bauwerke gründlich durchgecheckt, modernisiert und erweitert, damit sie erhalten bleiben und die U-Bahnen weiterhin zuverlässig fahren. 

Beim Bau der ersten U-Bahn in Hamburg mit ihren ringförmig um die Alster herum liegenden 23 Haltestellen besteht die Herausforderung zunächst darin, die Strecke an die jeweiligen örtlichen Stadtstrukturen, die vorhandene Bebauung und die Topographie anzupassen. In der Folge entsteht eine Mischung aus Tunneln, Strecken in Einschnitten und auf Dämmen sowie Viadukten. Gerade der Bau der insgesamt drei Kilometer langen Viaduktstrecken am Hafen, in der Isestraße und in Barmbek sind ein technisch höchst komplexes Unterfangen, insbesondere, weil die Viadukte nicht gleichzeitig und fortlaufend gebaut werden. Am Hafen etwa werden die Fundamente als Bauvorleistung bereits 1904 im Zuge von Sielbauarbeiten gegossen, in der Isestraße erst im Mai 1907. Die Oberbauten folgen dann drei Jahre später. 

Die Bauteile für die Viadukte mussten aufgrund ihrer Größe zwischengelagert werden.
Viaduktbauteilie, April 1911

Es geht los: Der Aufbau der U3-Viadukte

Nachdem die Fundamente fertiggestellt und die Arbeiten an der Ringlinie insgesamt weit fortgeschritten sind, beginnt 1910 die Montage der eisernen Viadukte – ein technisch anspruchsvolles und gleichermaßen spektakuläres Unterfangen, das viele Schaulustige anzieht. Aus den Werken in Gustavsburg, Berlin und Sterkrade werden die Einzelteile an die Baustellen geliefert und dort zu großen Komponenten montiert. Zuerst werden hölzerne Gerüste errichtet, an denen mit Winden und vereinzelter Dampfkränen dann die riesigen Stahlteile hochgezogen und in Position gebracht werden. Unterdessen fertigten Arbeiter am Boden Stampfbetonträger, die anschließend zu stabilen Eisenbetonpfählen veredelt werden, welche die Hauptlast der Viadukte tragen. 

Arbeiter während der Erstellung der Viadukte.
Nieterkolonne auf dem Viadukt an den Landungsbrücken, 1910

Mittels auf Schienen laufender Bockkräne richten die Stahlbauer nun die Teile auf. Dann gehen die bis zu sechs Nieter umfassenden Kolonnen ans Werk, deren handwerkliche Kunstfertigkeit sonst nur auf Werften zu Geltung kommt, und fügen die Einzelteile zu stabilen Viaduktbögen zusammen:  

Auf der Erde stehen die Nietenwärmer, meist junge Lehrlinge, die mit Blasebälgen die Feldschmieden auf die richtige Temperatur anheizen, um darin die Nieten zum Glühen zu bringen; und zwar so, dass der Schaft der Niete noch weiß ist, während der Kopf schon rot glüht. Dann packen sie die Niete mit einer Zange und schleudern sie mehrere Meter in die Luft. Oben auf dem Gerüst steht der Zulanger, der die Niete mit einem Eimer auffängt, so dass der Einstecker sie rausholen und ins vorgesehene Nietloch einsetzen kann. Jetzt übt der Vorhalter mit einem speziellen Werkzeug, dem Dobber, von innen Druck auf den Nietkopf aus, während die Nieter ihre schweren Hämmer im gleichmäßigen Takt schwingen und unter ohrenbetäubendem Lärm die Niete festhämmern. All das passiert im Akkord, denn in jedes Pendeljoch, also das halbkreisförmige „Bein“ eines Viaduktträgers, müssen rund 500 Nieten geschlagen werden. Währenddessen fertigen Betonbauer die Widerlager des Viadukts, indem sie hinter das Verblendmauerwerk Eisenbeton stampfen. Obwohl sehr gefährlich verläuft der Bau der Viadukte weitgehend reibungslos. Einzig ein Streik der Belegschaft bei Steffens & Nölle in Berlin sorgt 1911 für einige Verzögerungen bei der Lieferung der Stahlkonstruktionen und einen kurzen Baustopp. 

Letztlich geht die Ringlinie ab Februar 1912 abschnittsweise in Betrieb und die Viadukte mit ihrer filigranen und zugleich doch massiven Erscheinung sind nicht nur ein Zeichen höchster Ingenieurskunst. Vielmehr ermöglichen die Viaduktstrecken am Hafen, in der Isestraße und am Barmbeker Markt es der U-Bahn, auf einer eigenen Ebene Straßen und Plätze zu passieren und so ungehindert vom alltäglichen Verkehrstrubel schnell und zuverlässig unterwegs zu sein.

Das Viadukt am Barmbeker Markt zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Viadukt am Barmbeker Markt im April 1912

Längere Bahnsteige auf der Ringlinie 

Gerade diese Unabhängigkeit vom sonstigen Stadtverkehr ist ein Garant für die Zuverlässigkeit und damit den Erfolg der U-Bahn, der sich in stetig steigenden Fahrgastzahlen spiegelt: 1912 nutzen 23,7 Millionen Menschen die U-Bahn, 1923 sind es 45 Millionen. Die HOCHBAHN steht nun vor der Herausforderung, die U-Bahn fit für dieses erfreulich hohe und weiter steigende Fahrgastaufkommen zu machen. Und so werden einerseits mehr U-Bahn-Wagen beschafft, zum anderen müssen die Bahnsteige verlängert werden, damit längere U-Bahn-Züge überhaupt halten können. Im Zuge eines umfassenden Modernisierungsprogramms werden zwischen 1924 und 1927 schließlich alle Bahnsteige der Ringlinie von 67 auf 90 Meter verlängert. Das zieht natürlich umfangreiche Bauarbeiten in Tunnelhaltestellen und auch auf den Viadukten nach sich. Letztlich hat sich die Mühe aber gelohnt, denn wo vorher normalerweise 4-Wagen- oder maximal 5-Wagenzüge fahren, können nun 6-Wagen-Züge eingesetzt werden, um das Fahrgastaufkommen zu bewältigen. 

Die Verlängerung des Bahnsteigs der historischen Haltestelle Rödingsmarkt im Prozess.
Bahnsteigverlängerung der Haltestelle Rödingsmarkt im Januar 1927.

Verlängerung für die nächsten Jahrzehnte 

Fast 100 Jahre später beginnt die HOCHBAHN 2025 mit den Planungen für ein ganz ähnliches Unterfangen, um die Haltestellen auf der heutigen U3 technisch zu modernisieren und sie gleichzeitig an die Erfordernisse des steigenden Fahrgastaufkommens anzupassen: Die Bahnsteige werden von 90 auf 125 Meter verlängert, um auch hier, wie schon im restlichen Netz, 120-Meter-Vollzüge fahren lassen zu können. Das steigert die Kapazität der U3 um 50 Prozent.  

Damit das klappen kann, müssen die Bahnsteige an 13 Haltestellen verlängert werden: Borgweg, Eppendorfer Baum, Hoheluftbrücke, Feldstraße, St. Pauli, Landungsbrücken, Baumwall, Rödingsmarkt, Rathaus, Mönckebergstraße und Hauptbahnhof Süd. Hinzukommen die Bahnsteige der Haltestelle Sierichstraße, die im Rahmen des barrierefreien Ausbaus (2028/29) verlängert werden, und die der Haltestelle Sternschanze, die neu gebaut wird (2030er Jahre).   

Die aktuellen Infrastrukturmaßnahmen sind also durchaus historisch: In ihrer Dimension und im Umgang mit den Bauten der historischen Ringlinie. Dabei ist sich das Team trotz der herausfordernden Planungen natürlich bewusst, dass der historische Charme der Haltestellen bewahrt werden muss – schließlich sind sie ein Stück Hamburg. Wir werden hier wieder berichten, wenn es losgeht! 


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