Seit Jahrhunderten gehören die Walddörfer zu Hamburg, doch sie liegen als Exklaven im damaligen Preußen und sind damals verkehrlich nicht optimal angebunden. Eine U-Bahn soll Abhilfe schaffen, doch ihr Bau ist komplizierter als gedacht. Vor 100 Jahren nimmt die Walddörferbahn schließlich den elektrischen Betrieb auf. Ein Rückblick auf die wechselvolle Baugeschichte und ein Blick auf die Sanierungsarbeiten, mit denen die Walddörferbahn jetzt zukunftsfit gemacht wird.
Bereits im Mittelalter gehören die Gemeinden Großhansdorf/Schmalenbeck, Farmsen/Berne, Volksdorf, Wohldorf/Ohlstedt zu Hamburg. Doch während im zentralen Hamburg 1912 mit der Ringlinie das U-Bahn-Zeitalter beginnt, sind die Walddörfer nur umständlich erreichbar.
Die Walddörfer – Ein Stück Hamburg in Preußen
Erste Bemühungen, eine Straßenbahnverbindung in die Walddörfer einzurichten, gibt es 1898, doch verhindern betriebswirtschaftliche Abwägungen die Realisierung. 1904 wird schließlich eine Kleinbahn errichtet, die Volksdorf und Alt-Rahlstedt miteinander verbindet und von dort die Weiterfahrt nach Hamburg ermöglicht. In den Fahrgastzahlen zeigt sich schnell, dass der Bedarf einer Nahverkehrsanbindung der Walddörfer groß ist und so wird die straßenbahnähnliche Kleinbahn verlängert. Ab Mai 1907 besteht nun eine regelmäßige Verbindung auf der Strecke Alt-Rahlstedt – Volksdorf – Ohlstedt – Wohldorf.

Währenddessen wird rund um die Alster an der Ringlinie gebaut, wodurch Überlegungen aufkommen, auch in den Walddörfern eine U-Bahn zu realisieren. Dies hat weniger mit realen Fahrgastzahlen in den eher dünn besiedelten Walddörfern zu tun – für diese wäre eine Kleinbahn völlig ausreichend und eine U-Bahn überdimensioniert. Es geht vielmehr um staatspolitische Symbolik: Eine modernen U-Bahn-Anbindung soll die politische Zugehörigkeit der Walddörfer zu Hamburg klar manifestieren und die Exklaven direkt erreichbar machen.
Als dann in Großhansdorf und Farmsen eine zeitgemäße Verkehrsanbindung gefordert wird, befasst sich der Hamburgische Senat mit der Situation in den Walddörfern. Strukturell geht es nun darum, verkehrliche Insellösungen und einen größeren Straßen- und Kleinbahn-Flickenteppich zu verhindern und eine einheitliche Verkehrsanbindung zu schaffen. Mit diesem Ziel beginnen im April 1911 Verhandlungen zwischen Hamburg und Preußen, die am 8. Mai 1912 mit der Unterzeichnung eines Staatsvertrages erfolgreich enden: Die U-Bahn in die Walddörfer kann kommen.

Mit Dampf geht´s los
Umgehend wird mit den Planungen und dem eigentlichen Bau der Gleisanlagen, Streckeninfrastruktur und Haltestellen begonnen. In Barmbek, wo die Walddörferbahn an die Ringlinie angebunden wird, erhält die Haltestelle einen dritten Bahnsteig. Die Bauarbeiten geraten jedoch völlig durcheinander, als die Großmächte Europas vermeintlich überraschend in den Ersten Weltkrieg „hineinstolpern“. Zwar ist bis zum Sommer 1914 ein Großteil der Strecke bereits fertig, doch verzögert sich der Weiterbau wegen des kriegsbedingten Materialmangels erheblich. Weil die elektrische Ausrüstung der Strecke fehlt, einige Haltestellen noch gar nicht fertiggestellt sind und es auch nicht genügend Triebwagen gibt, kann die Walddörferbahn am 12. September 1918 ihren Betrieb zunächst nur provisorisch aufnehmen. Möglich machen dies zwei im Krieg requirierte belgische Dampflokomotiven, an welche speziell angepasste U-Bahn-Wagen gekuppelt werden.

Backstein, Brücken und Elektrizität
Als die beiden Dampflokomotiven nach Kriegsende im Zuge der Reparationen zurückgegeben werden müssen, steht die Walddörferbahn ab dem 22.5.1919 erst einmal still. Die Fertigstellung allerdings wird weiterverfolgt und schrittweise realisiert: Ab dem 6.9.1920 ist ein eingleisiger, elektrischer Betrieb zwischen Barmbek und Volksdorf möglich. Im November 1921 wird dann der Betrieb auf dem Streckenabschnitt zwischen Volksdorf und Großhansdorf aufgenommen, bevor ab Februar 1925 dann auch die Strecke von Volksdorf nach Ohlstedt elektrisch befahren werden kann. 1934 übernimmt dann die HOCHBAHN auch offiziell die vorher formal von der Stadt Hamburg betriebene Linie. Für die nächsten Jahrzehnte bleibt es ruhig entlang der Walddörferbahn, deren Haltestellen alle im Heimatstil gestaltet sind: Der prägende rote Backstein und die dezent ausgeführten Brückenbauwerke fügen sich dabei zurückhaltend in die ländliche Umgebung ein und lassen ein harmonisches Nebeneinander von Natur und Technik entstehen.
Für die Zukunft ergänzt und saniert
Da allerdings spätestens seit den 1960er Jahren insbesondere Farmsen und Berne erheblich gewachsen sind, wird überlegt, wie möglichst vielen Menschen ein direkter U-Bahn-Zugang ermöglicht werden kann. Und so rollen 2017 Bagger und Kräne an, um zwischen den U-Bahn-Haltestellen Farmsen und Berne eine weitere zu ergänzen. Binnen 22 Monaten entsteht so die Haltestelle Oldenfelde, die mittlerweile täglich von mehr als 5.000 Menschen genutzt wird.
Im nächsten Schritt steht jetzt der Bereich um die Haltestelle Volksdorf im Fokus. Hier geht es nicht nur um die Haltestelle selbst, wo die beiden Bahnsteige, Teile der Schalterhalle sowie einige Gewerbeimmobilien runderneuert werden. Gleichzeitig werden verschiedene Brücken grundlegend saniert: So die 1918 gebauten U-Bahn-Brücken in der Farmsener Landstraße und im Maiendorfer Weg mitsamt ihrer Widerlager, ebenso die beiden U-Bahn-Brücken im Ahrensburger Weg und dem Lerchenberg, die beide aus dem Jahr 1921 stammen. Dazu kommen notwendige Gleisarbeiten und die Erneuerung der beiden 45 Jahre alten Stellwerke – aber dazu mehr in diesem Blog-Beitrag von Saskia!
Letztlich wird mit diesem Mammutprojekt die Walddörferbahn in und um Volksdorf fit gemacht, sodass auch zukünftig umweltfreundliche Mobilität bereitsteht. Für die nächsten 100 Jahre – mindestens.

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